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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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vorbei, die gerade dabei war, ihre Rosen zu beschneiden.
    »Das sind alles Arschlöcher!«, schrie Klütz. »Was, du kannst denen nicht verbieten, dass sie …? Ach, fick dich ins Knie!«
    Der Laubach fiel fast die Gartenschere aus der Hand, als sie das vernahm.
    »Das ist ja unerhört!«, rief sie. »Und so etwas zieht nach Frohnau! Der Pöbel hat hier nichts zu suchen, bleiben Sie in Neukölln, mein Herr!«
    »Halt’s Maul, alte Hexe!«, knurrte Klütz. »Ist das ein Scheißtag heute!«
    Und der wurde nicht besser, als Klütz in einem Café in der Nähe des Leopoldplatzes Dhalak gegenübersaß, 17 Jahre, fast U18-Nationalspieler, Vater aus Eritrea, Mutter aus dem tiefsten Wedding, kein Hauptschulabschluss, aber mit einem Selbstbewusstsein, als sei er Beckenbauer und Pelé in einer Person. Widersprach ihm Klütz, kniff er die Augen zusammen, als wollte jeden Augenblick das berühmte ›Ich mach dich urban!‹ kommen, was heißen sollte: ›Ich schlag dich gleich so zusammen, dass du ins Urban-Krankenhaus eingeliefert werden musst.‹
    »Dhalak, wenn du in die Bundesliga willst und später nach England, Italien oder Spanien, kann das dein Vater nicht mehr managen, dann brauchst du einen Profi als Berater.«
    »Wen haben Sie denn nach Mailand vermittelt, äih?«
    Klütz dachte zwar: Mein Lieber, dein Glück, dass wir beide nicht auf’m Platz stehen und gegeneinander spielen, denn sonst würdest du dich jetzt schon wimmernd am Boden wälzen! Er behielt aber die Nerven und lächelte. »Wenn ich schon zehn Spieler nach Mailand vermittelt hätte, würde ich nicht nur die paar lumpigen Prozente haben wollen, die du mir geben willst.«
    Dhalak stand auf. »Ruf mich an, wenn du Real so weit hast, dass sie mir ’n Angebot machen.«
    »Real Madrid oder real, die vom Supermarkt?«
    »Du kriegst gleich ’n paar aufs Maul, du Arsch!« Damit verließ der Jungstar das Café.
    Klütz blieb sitzen und zahlte das, was sie gegessen und getrunken hatten. Zweifel stiegen in ihm auf, ob er für einen Spielervermittler der richtige Typ war. War er zu hart, war er zu weich, wusste er zu viel vom Fußball oder zu wenig? Vielleicht war es doch besser, er machte irgendwo am Stadtrand eine Gärtnerei auf. Sandra konnte dann mit ihrer Modeschau in seine Gewächshäuser kommen. Er zog sein Handy aus der Tasche, um mit ihr über alles zu reden.
    »Du, ich kann im Augenblick nicht.«
    Dass sie so kurz angebunden war, traf ihn wie ein Fausthieb. »Was ist denn?«
    »Ich bin gerade in einer Besprechung.«
    Das konnte nicht stimmen, denn auf ihrem Terminkalender hatte er gelesen, dass sie an diesem Dienstag erst um 14 Uhr eine Besprechung hatte. »Habt ihr die verlegt?«
    »Wieso verlegt? Ja, haben wir.«
    »Schade.« Klütz suchte mit seiner Enttäuschung fertigzuwerden. »Dann sehen wir uns heute Abend.«
    »Heute Abend bin ich mit Ramona verabredet.«
    »Ach so …« Klütz schluckte, denn er wusste aus seiner Ehe, dass eine plötzliche Verabredung mit der besten Freundin immer ein Alarmzeichen war. Die Sache war klar: Sandra traf sich mit einem anderen Mann, und Ramona war dazu da, ihr ein Alibi zu verschaffen. »Und morgen?«
    »Mal sehen, ich sag dir Bescheid. Tschüss dann.«
    Ehe Klütz etwas erwidern konnte, hatte Sandra aufgelegt. Minutenlang saß er wie erstarrt da. Kein Zweifel, sie war dabei, ihn fallen zu lassen. Warum nur, und warum so plötzlich? War wirklich ein anderer Mann im Spiel oder hatte sie dadurch, dass Schulz verschwunden war, wieder zu ihm zurückgefunden? Oder unterstellte sie ihm, Klütz, womöglich, er hätte ihren Mann aus dem Weg geräumt? Er hörte sie zu Ramona sagen, dass sie mit einem Mörder unmöglich zusammenleben könne.
    Klütz tröstete sich mit der alten Herberger-Weisheit, dass jedes Spiel 90 Minuten dauert, und in seinem war ja noch nicht abgepfiffen worden. Auch ein 0:3 ließ sich noch aufholen. Nein. Er hatte eine Vorahnung, dass das 0:4 und 0:5 bald folgen würden.
    Er verließ das Café mit schlurfenden Schritten und fuhr zurück nach Friedenau. Als er in der Stubenrauchstraße aus dem Wagen stieg, verließ gerade eine schwarze Trauerschar den Friedhof. In der Grube, die von den Arbeitern am Morgen ausgehoben worden war, ruhte nun ein glücklicher Mensch. Glücklich deswegen, weil er erlöst war von allem.
    Im Briefkasten lag ein Brief des Bezirksamtes. Noch auf der Treppe riss er ihn auf. Das Jugendamt teilte ihm mit, dass ihm auf Antrag der Anwältin seiner Frau der Umgang mit seinen Kindern bis

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