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Unterm Rad

Unterm Rad

Titel: Unterm Rad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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die
    Sprache fast spielend nebenher lernen. Ein Wörterbuch kann ich dir leihen. Du würdest etwa täglich eine Stunde, höchstens zwei, daran rücken. Mehr natürlich nicht, denn vor allem mußt du jetzt deine verdiente Erholung haben. Natürlich ist das nur ein Vorschlag - ich möchte dir ja nicht das schöne Feriengefühl damit verderben.« Hans sagte natürlich zu. Zwar erschien ihm diese Lukasstunde wie eine leichte Wolke am fröhlich blauen Himmel seiner Freiheit, doch schämte er sich abzulehnen. Und eine neue Sprache so in den Ferien nebenher zu lernen, war gewiß mehr Vergnügen als Arbeit. Vor dem vielen Neuen, das im Seminar zu lernen wäre, hatte er ohnehin eine leise Furcht, besonders vor dem Hebräischen.
    Nicht unbefriedigt verließ er den Stadtpfarrer und schlug sich durch den Lärchenweg aufwärts in den Wald. Der kleine Unmut war schon verflogen, und je mehr er sich die Sache überlegte, desto annehmbarer kam sie ihm vor. Denn das wußte er wohl, daß er im Seminar noch ehrgeiziger und zäher arbeiten müsse, wenn er auch dort die Kameraden hinter sich lassen wollte. Und das wollte er entschieden. Warum eigentlich? Das wußte er selber nicht. Seit drei Jahren war man auf ihn aufmerksam, hatten die Lehrer, der Stadtpfarrer, der Vater und namentlich der Rektor ihn angespornt und gestachelt und in Atem gehalten. Die ganze lange Zeit, von Klasse zu Klasse, war er unbestrittener Primus gewesen. Und nun hatte er allmählich selber seinen Stolz darein gesetzt, obenan zu sein und keinen neben sich zu dulden. Und die dumme Examensangst war jetzt vorbei.
    Freilich, Ferien haben war doch eigentlich das Schönste. Wie ungewohnt schön der Wald nun wieder war in diesen Morgenstunden, wo es keinen Spaziergänger darin gab als ihn! Säule an Säule standen die Rottannen, eine unendliche Halle blaugrün überwölbend. Unterholz gab es wenig, nur da und dort ein dickes Himbeergestrüppe, dafür einen stundenbreiten, weichen, pelzigen Moosboden, von niederen Heidelbeerstöcken und Erika bestanden. Der Tau war schon getrocknet, und zwischen den bolzgeraden Stämmen wiegte sich die eigentümliche
    Waldmorgenschwüle, die, aus Sonnenwärme, Taudunst, Moosduft und dem Geruch von Harz,
    Tannennadeln und Pilzen gemischt, sich einschmeichelnd mit leichter Betäubung an alle Sinne schmiegt.
    Hans
    warf
    sich
    ins
    Moos,
    weidete
    die
    dunklen,
    dichtbestandenen
    Schwarzbeersträucher ab, hörte da und dort den Specht am Stamme hämmern und den
    eifersüchtigen Kuckuck rufen. Zwischen den schwärzlich dunklen Tannenkronen schaute
    fleckenlos tiefblau der Himmel herein, in die Ferne hin drängten sich die tausend und tausend senkrechten Stämme zu einer ernsten braunen Wand zusammen, hie und da lag ein gelber
    Sonnenfleck warm und sattglänzend ins Moos gestreut. Eigentlich hatte Hans einen großen Spaziergang machen wollen, mindestens bis zum Lützeler Hof oder zur Krokuswiese. Nun lag er im Moos, aß Heidelbeeren und staunte träge in die Luft. Es fing ihn selber an zu wundern, daß er so müde war. Früher war ihm ein Gang von drei, vier Stunden doch gar nichts gewesen. Er beschloß, sich aufzuraffen und ein tüchtiges Stück zu marschieren. Und er ging ein paar hundert Schritte. Da lag er schon wieder, er wußte nicht, wie es kam, im Moos und ruhte. Er blieb liegen, sein Blick irrte blinzelnd durch Stämme und Wipfel und am grünen Boden hin. Daß diese Luft so müd machte!
    Als er gegen Mittag heimkam, hatte er wieder Kopfweh. Auch die Augen taten ihm weh, auf dem Waldsteig hatte die Sonne so heillos geblendet. Den halben Nachmittag saß er verdrossen im Haus herum, erst beim Baden wurde er wieder frisch. Es war jetzt Zeit, zum Stadtpfarrer zu gehen.
    Unterwegs sah ihn der Schuster Flaig, der am Fenster seiner Werkstatt auf dem Dreibein saß, und rief ihn herein. »Wohin, mein Sohn? Man sieht dich ja gar nimmer?« »Jetzt muß ich zum Stadtpfarrer.« »Immer noch? Das Examen ist doch vorbei.« »Ja, jetzt kommt was andres dran.
    Neues Testament. Nämlich das Neue Testament ist ja griechisch geschrieben, aber wieder in einem ganz andern Griechisch, als was ich gelernt hab'. Das soll ich jetzt lernen.«
    Der Schuster schob die Mütze weit ins Genick und zog seine große Grüblerstirn zu dicken Falten zusammen. Er seufzte schwer.
    »Hans«, sagte er leise, »ich will dir was sagen. Bis jetzt hab' ich mich still gehalten, von wegen dem Examen, aber jetzt muß ich dich mahnen. Du mußt nämlich wissen, daß der Stadtpfarrer

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