Unterm Strich
werden ihre Staatsausgaben noch radikaler kürzen müssen, wenn sie ihr Rating auf den Kapitalmärkten und damit die Konditionen ihrer Kreditaufnahme und ihres Kapitaldienstes nicht verschlechtern und wie eine Garotte um ihren Hals tragen wollen.
Der US-amerikanische Ökonom Kenneth Rogoff, der in seinem Buch This Time Is Different zusammen mit seiner Co-Autorin Carmen Reinhart die Finanzkrisen vergangener Jahrzehnte analysiert, kommt zu dem Ergebnis, dass ein Schuldenstand von über 90 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung das Wirtschaftswachstum eines Landes dauerhaft schmälert. Eine nennenswerte Zahl von Hauptdarstellern unter den Wirtschafsnationen hat diese Marke fast erreicht oder wird sie demnächst überspringen. Für Deutschland rechnet man mit über 80 Prozent Schuldenstandsquote im Jahr 2011.
Was schließlich die Exporte als traditionellen deutschen Wachstumsmotor betrifft, ist von grundlegender Bedeutung, dass nicht ganz drei Viertel von ihnen in europäische Länder gehen, die sich über die daraus entstehenden erheblichen Leistungsbilanzdefizite beklagen. Im Bestreben, sie zu reduzieren, werden sie tendenziell weniger importieren wollen, andererseits von Deutschland aber höhere Importe ihrer Waren und Dienstleistungen anmahnen. Diese Exportausfälle bei unseren wichtigsten und größten Handelspartnern wird selbst eine weiter steigende Nachfrage aus Schwellenländern (derzeitiger Anteil Chinas an den deutschen Exporten 5 Prozent und der Lateinamerikas 2,5 Prozent) nicht kompensieren können.
Es ist in der Wirtschaftsgeschichte keine neue Erkenntnis, dass auf eine Finanz- und Wirtschaftskrise dieser Dimension eine Fiskalkrise ganzer Nationalstaaten folgt. Angesichts der bis dahin unvorstellbar hohen staatlichen Hilfen für Banken, die sich in den zehn wichtigsten Industrieländern auf 5 Billionen Euro summieren, und der zusätzlich aufgelegten Konjunkturprogramme, die in den G8-Ländern plus EU (soweit nicht identisch mit den G7-Staaten) plus China auf rund 2 Billionen Euro einschließlich der sogenannten automatischen Stabilisatoren geschätzt werden, ist dies auch keine Überraschung. An der aus der Bewältigung der Krise erwachsenen hohen Staatsverschuldung werden alle betroffenen Länder in den nächsten fünf bis zehn Jahren schwer zu tragen haben. Wenn es zu einem Zinsanstieg zur Bekämpfung - mittelfristig nicht auszuschließender - inflationärer Tendenzen und zur Vermeidung neuer Blasen kommen sollte, dann droht diese Schuldenlast manchen Staaten buchstäblich die Beine wegzuschlagen. Auch Deutschland ist dagegen nicht gefeit, bei einer Bruttoneuverschuldung von 317 Milliarden Euro (geplant 2010) und einer Zinsbelastung allein des Bundes von jährlich rund 38 Milliarden Euro. Je kurzfristiger die Staaten verschuldet sind, desto größer ist das Problem, weil ein Zinsanstieg sich unmittelbar in einer entsprechenden Belastung der staatlichen Haushalte niederschlägt.
Deutschland wird diese Finanz- und Wirtschaftskrise erst fünf bis sechs Jahre nach ihrem Ausbruch überwunden haben, also frühestens 2012/2013 wieder das Wachstumsniveau des Jahres 2008 erreichen. Die für 2010 avisierte Wachstumsrate von 1,5 bis 2 Prozent mit nachlaufenden Wirkungen für das Jahr 2011 resultiert kaum aus einem selbsttragenden Prozess. Sie gründet sich vielmehr auf eine nach wie vor extrem expansive Geldpolitik, die irgendwann kassiert werden muss, und auf Konjunkturprogramme, die Ende 2010 auslaufen werden - es sei denn, es folgen weitere kreditfinanzierte staatliche Stützungsmaßnahmen. Das Abrakadabra der jetzigen Bundesregierung zu allen Problemen und Verheißungen des Koalitionsvertrags lautet allerdings monoton »Wirtschaftswachstum« - ganz gleich, ob es sich um die Rückführung der Neuverschuldung unter den Auflagen des Grundgesetzes und des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes, die Finanzierung zusätzlicher und dringend erforderlicher Bildungsinvestitionen, Zuwendungen an die Sozialversicherungsträger und die Bundesagentur für Arbeit, die Kompensation von Einnahmeausfällen aus schwebenden Steuersenkungsversprechen oder um die Stabilisierung der kommunalen Finanzlage handelt.
Das wird nicht klappen. Nur Münchhausen konnte sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Wie sieht der »Plan B« der Bundesregierung aus, wenn das Wirtschaftswachstum der kommenden Jahre allenfalls rieselt, aber keinesfalls sprudelt?
Once Upon a Time in America
»Es war einmal in Amerika« - so
Weitere Kostenlose Bücher