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Unterm Strich

Unterm Strich

Titel: Unterm Strich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peer Steinbrück
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diversifizieren. Darin könnte noch mehr Sprengkraft liegen als in den ohnehin belastenden Unsicherheiten, die sich aus der zukünftigen Entwicklung des Zinsniveaus und der Konditionen für Anleiheplatzierungen ergeben.
    Die USA importieren im Wert von 700 Milliarden US-Dollar (2008) mehr Waren und Dienstleistungen, als sie exportieren. Dieses Leistungsbilanzdefizit macht ungefähr 5 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung aus. Damit spielen sie in derselben Klasse wie die Türkei, Irland und Polen. Die private Verschuldung addiert sich auf 13,5 Billionen US-Dollar oder 92 Prozent der US-Wirtschaftsleistung.
    Die zentrale Frage richtet sich auf den politischen Willen in den USA, diesen Defizitentwicklungen Einhalt zu gebieten. Die dazu geeigneten Maßnahmen auf der Einnahme- und Ausgabenseite eines Staatshaushalts wie Steuererhöhungen und Leistungskürzungen sind schon für sich genommen - zumal in der Dimension, die den USA nun einmal eigen ist - reines politisches Dynamit. In letzter Konsequenz gerät damit der »American way of life« samt seiner Konsumlust und Energieintensität auf den Prüfstand. Das dürfte in den USA in einer Phase ohnehin hochgradiger Verunsicherung als ein »Anschlag« ähnlich 9/11 empfunden werden. Die damit verbundene titanische politische Aufgabe lässt jeden Beobachter in Respekt erstarren. Dass die Federal Reserve Bank die Bestie der Inflation nicht von der Kette lassen darf, um den staatlichen Schuldendienst zu erleichtern, ist vor diesem Hintergrund trivial.
    Das zweite Lindenblatt auf dem Rücken der USA ist der Kapitalbedarf zur Deckung ihrer laufenden Defizite. Die Defizite der USA verschlingen sage und schreibe drei Viertel der jährlichen globalen Ersparnisse.
    Es gibt andere Länder mit ebenfalls hohen Schuldenständen und hohen jährlichen Defiziten. Aber sie finanzieren sich - wie zum Beispiel Japan mit einer Schuldenstandsquote von etwa 220 Prozent seines Bruttosozialprodukts - über die Sparleistung ihrer Bevölkerung und halten auf diese Weise die Auslandsverschuldung in Grenzen. Dagegen werden die Haushaltsdefizite der USA durch Schuldscheine gedeckt, die mehrheitlich ausländische Käufer, vor allem in China und Japan, erwerben. Weltweit betrachten die Anleger den Dollar nach wie vor als attraktive und sichere Anlage, was ja nicht zuletzt ein Vertrauen in die Stärke der USA ausdrückt. Also investieren sie in Staatsanleihen, Unternehmensanleihen und Beteiligungen an US-Firmen. Davon profitieren die Amerikaner bislang. Aber wehe, dieser vermeintlich ewig fließende Strom versiegt - sei es aus wirtschaftlichen oder aus politischen Gründen.
    In den letzten Jahren sind die finanziellen Forderungen ausländischer Gläubiger gegenüber den USA dramatisch gewachsen. Inzwischen dürften mehr als 11,6 Billionen US-Dollar an Vermögenswerten in den USA (2006) ausländischen Investoren gehören. Das sind knapp 90 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung der USA! Dagegen befinden sich rund 9 Billionen US-Dollar an ausländischen Vermögen im Eigentum US-amerikanischer Investoren. Der größte Gläubiger unter den ausländischen Investoren ist China.
    Einige sprechen von einem faustischen Pakt, den die USA und China eingegangen sind. Wie in jedem faustischen Pakt geht es einem irgendwann an den Kragen. Die USA müssen vielleicht nicht mit ihrer Seele bezahlen. Aber das entstandene Ungleichgewicht, das sich auf der chinesischen Seite in jährlichen Leistungsbilanzüberschüssen von 17 Milliarden Dollar 2001 bis 426 Milliarden Dollar 2008 sowie Währungsreserven in der phantastischen Höhe von inzwischen 2,5 Billionen US-Dollar und auf der US-amerikanischen Seite in den entsprechenden Leistungsbilanzdefiziten und 870 Milliarden Dollar, die chinesische Investoren an US-Staatsanleihen halten, ausdrückt, geht eindeutig zu Lasten der USA.
    Wer auch immer in diesem faustischen Pakt unter dem Signum »Chimerika« des Teufels fette Beute wird - solange einerseits die Chinesen ihren Wachstumspfad so stark auf Exporte in die USA ausrichten und ihre Währung allenfalls in kleinen Schritten einer größeren Schwankungsbreite aussetzen und solange es andererseits den USA nicht gelingt, ihre Defizite abzubauen und sich von den riesigen Kapitalimporten zu befreien, solange wird die Symbiose zwischen diesen beiden denkbar verschiedenen Schlüsselländern anhalten. Sollten die Chinesen ihre Exportorientierung, ihre Anlagestrategien und ihre Währungspolitik revidieren und damit die USA im Status quo

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