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Unternehmen CORE

Unternehmen CORE

Titel: Unternehmen CORE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Preuss
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auf, und er startete mit quietschenden Reifen. In weniger als einer Sekunde war er in nördliche Richtung im Nebel verschwunden.
    Cyrus ging in die gleiche Richtung; er schritt nun schneller. Im Osten ging die Sonne auf, im Nebel machte sich diffuses Licht bemerkbar. Am nördlichen Pfeiler der Brücke, landeinwärts, öffnete sich ein Loch in den Nebelschwaden; Cyrus blickte auf und sah den blassen blauen Himmel. Rechts von ihm, auf dem Parkplatz des Aussichtspunkts über den Klippen, ließ ein Wagen die Scheinwerfer aufleuchten.
    Es war Edwards Wagen, eine unbescheiden goldlackierte Mercedes-Limousine. Zu dieser Zeit – sehr viel später, als, sie vereinbart hatten – mußte Edward bereits nervös geworden sein. Cyrus zwang sich zu einem milden Lächeln.

 
CORE CITY, 1993
     
    Josie kam aus der Wüste nach Hause und fand seinen Vater auf dem Boden schlafend; vor ihm das weiße Flimmern des Fernsehapparats. Er schaltete den Recorder aus und rüttelte an Leidy, bis dieser aufwachte und sich ins Bett schleppte.
    Josie ging in sein Zimmer; er fühlte sich ganz und gar nicht müde. Durch sein Fenster strömte das klare rote Sonnenlicht. Er setzte sich auf das Bett, schlug sein Wüstenbuch auf –
    – und wachte sechs Stunden später auf.
    Leidy war in der Küche, hatte Eier in der Pfanne und brannte Waffeln. »Ich habe mir für den Rest des Tages freigenommen«, grummelte er und kratzte seine Bartstoppel. »Willst du nachmittags Reiten gehen?«
    »Hast du wirklich soviel Zeit?«
    »Hey …« Leidy beschrieb mit seinem Arm einen großen Bogen, als wäre der Raum, den er damit bezeichnete, gleich der Zeit, die er für seinen Sohn hatte. »Außerdem wird alles, was getan werden muß, getan. Von Leuten, die von diesen Dingen mehr verstehen als ich.«
     
    Sie gingen durch Gestrüpp zur alten Garrett Ranch. In der Luft über den Mesquit-Sträuchern hing ein staubiges Parfüm; Grashüpfer schwirrten herum und stießen gelegentlich gegen den Mann und den Jungen.
    »Halt die Augen offen und gib auf Klapperschlangen acht«, sagte Leidy.
    »Okay, Dad.« Josie bemerkte, daß sein Vater selbst kaum auf sie achtete.
    Keine Klapperschlangen bedrohten sie; sie erreichten sicher das Herz des alten Farmgeländes. CORE hatte einige der Ranch-Arbeiter angestellt, diejenigen, die bereit waren, dazubleiben und den Viehbestand zu versorgen. Die Rinder waren verkauft worden, doch die Pferde waren geblieben. Leidy war ein- oder zweimal geritten, er versuchte auf dem Pferd, das der Stallaufseher für ihn gesattelt hatte, gelassen auszusehen; Josie konnte man allerdings nichts vormachen.
    Ihre beiden Tiere waren sanft, sie ritten Seite an Seite, als ob sie seit Jahren nichts anderes getan hatten; schweigend ritten sie zwei oder drei Meilen, hinunter in die weite Ebene, über das trockene Flußbett und auf der anderen Seite die geschichteten Klippen hoch, bis sie von der Ferne auf CORE-City und den weißen Bohrturm, der sich über der Mesa erhob, zurückblicken konnten.
    »Mom sagt, daß ihr euch scheiden lassen wollt«, sagte Josie plötzlich.
    »Ja.«
    »Müßt ihr das tun?«
    »Wir sind eigentlich seit langer Zeit nicht mehr verheiratet, nur noch auf dem Papier. Eine Ehe bedeutet, daß man die Zeit miteinander verbringt, Josie.«
    »Liebst du sie noch?«
    »Ich liebe sie, aber nicht so, wie ich es sollte, um verheiratet zu sein.«
    »Wirst du Dr. McDougal heiraten?« Josies Pferd hatte einen Strauch gefunden, den es mochte, und begann ihn lebhaft abzuweiden. Es riß dem Jungen beinahe die Zügel aus den Händen.
    »Ich weiß es nicht.« Leidy zögerte. »Nicht so schnell, jedenfalls.«
    »Irgendwann einmal?«
    »Ich weiß es wirklich nicht«, sagte Leidy. »Manchmal kommen wir miteinander aus, manchmal auch nicht.«
    »Ich mag sie nicht.«
    »Das hast du mir gesagt.« Leidy schwieg einen Moment lang. »Du und ich, wir können uns trotzdem mögen. Ganz egal, ob du sie magst.«
    Josie zuckte mit den Schultern.
    »Ich dachte, es gefällt dir hier draußen.«
    »Es ist okay.«
    Leidy spürte Panik aufkommen. Er hatte das, was ihn von seinem Sohn trennte, nicht unter Kontrolle. Nach Marokko, das war nun neun Jahre her, hatte er sich vorgenommen, es besser zu machen, aber er war sich niemals sicher, was das bedeutete: besser. »Nach der nächsten Woche kann ich einige Tage freinehmen. Wir könnten campen. Unten am Pecos gibt es alte Kavallerie-Forts, indianische Ruinen, Versteinerungen …«
    »Es ist okay, Dad. Du hast viel zu tun.«
    Leidy

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