Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unternehmen CORE

Unternehmen CORE

Titel: Unternehmen CORE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Preuss
Vom Netzwerk:
Serviette den Mund ab. »Von den Männern in den Minen lernte er, was er brauchte. Er war noch immer ein sehr junger Mann, als er nach Nevada zog. Ich nehme an, er verbrachte einige Monate in Carson City, um die Aufzeichnungen des Staates zu studieren. Dann kaufte er ein Pferd und ein Maultier und ging in die Wildnis und gab sich als reicher Jäger aus.«
    Der Anwalt lächelte, als er über Max’ scharfen Verstand nachdachte. »Er durchstreifte den östlichen Abhang der Sierra und die Wüstengebiete im Osten. Seine Jagd hatte alte Minenhalden und die Schlacken der Schmelzhütten zum Ziel. Manchmal mußte er wohl auch flüchten, wenn sich herausstellte, daß die Mine, die er auserkoren hatte, nicht ganz verlassen war. Nach einem Jahr kehrte er mit dem, was er erfahren hatte, hier zu den Finanzleuten in San Francisco zurück. Er führte ihnen einige geniale Tischexperimente vor – man sagte, einem ruinierte er mit seinen Säuren den Lederbezug seines Schreibtisches –, aber was er ihnen vorführte, überzeugte sie; daß er aus wertlosem Abfall, der ein Viertel Jahrhundert früher weggeworfen worden war, ausreichende Mengen kostbarer Metalle gewinnen konnte.«
    »Man stieß … man stieß damals auf viele neue Minen«, sagte Cyrus. »Gold und Silber – der Yukon, Tonopah …«
    »Nicht zu vergessen Australien, Südafrika, das waren die Orte.« Der Anwalt nickte. »Dein Vater meinte, neue Minen würden für die Wiedergewinnungstechnologien, die er anpries, nur eine um so leuchtendere Zukunft verheißen.«
    »Was geschah?«
    »Nun, er wurde reich. Du weißt das.«
    Wußte er das? Um seine Verwirrung zu verbergen, sagte Cyrus. »Aber nicht als Chemiker.«
    Der silberhaarige Anwalt hielt zwischen zwei Austern inne, lange genug, um nickend seine Zustimmung mitzuteilen. »Du hast recht. In den darauffolgenden Jahren betrieb Max weniger die chemische Wiedergewinnung von Erzen. Er war ein geborener Verkäufer, ja, das war er. Erst verkaufte er Metallanalysen. Aber es dauerte nicht lange, bis er merkte, daß mit dem Verkauf von Aktien sehr viel mehr Geld zu machen war.«
    Ihre Unterhaltung wurde unterbrochen von der Ankunft schwerer Porzellanteller, auf denen sich Fleisch und Kartoffeln türmten.
    »Er verkaufte vor allem an Investoren aus dem Osten. Du weißt, denke ich, daß deren Wissen vom Westen bis auf den heutigen Tag vor allem auf melodramatischen Kinofilmen und sensationellen Zeitungsberichten basiert. Wie ist das Fleisch?«
    Cyrus nickte und kaute. Der Anwalt schlürfte seinen Wein und sprach, während Cyrus zuhörte und gespannt darauf wartete, zu erfahren, woher der Erzähler wußte, was er zu wissen vorgab. In seiner Version machte sich Max Hudder – noch immer jung, ein Aktienmillionär und ausgestattet mit einer respektablen und völlig erfundenen Vergangenheit, die ihn als Waisen sah und somit das offensichtliche Fehlen der Verwandten erklärte – daran, sich mit einer Frau zu versehen.
    Es war ein schwindelerregendes Zeitalter. San Francisco hatte sich nach dem Erdbeben von 1906 aus eigener Kraft wieder aufgebaut. Neun Jahre später feierte es seine Wiedergeburt durch die große Panama-Pacific-Exposition. Das offizielle Plakat zeigte einen muskulösen nackten Riesen, der mit Knien und Händen Berge zur Seite rückte, die sich schimmernd in einem fernen Hintergrund auf eine weiße Stadt (die dem Ausstellungsgelände nicht unähnlich sah) öffneten. Diese Öffnung in der Erde war natürlich der neu fertiggestellte Panama-Kanal; die futuristische Zivilisation war Kalifornien und San Francisco sein Symbol.
    Auf einer der zahlreichen Kotillons, die er besuchte, lernte Max Hudder Lily Gillis kennen, die jüngere Tochter aus einer Dynastie, deren Mitglieder seit den 1860ern, als die Stadt zum Umschlagplatz der Comstock-Minen wurde, zur Aristokratie San Franciscos gehörte.
    »Sie wurde von Männern aus der ganzen Halbinsel hofiert«, sagte der Anwalt. »Aber sie waren alle im Nachteil. Der alten Gillis hatte das Vermögen der Familie in Max Hudders Projekte investiert und schien den jungen Mann wirklich zu mögen. Ob Lily ihn mehr als die anderen mochte, wird wohl niemand erfahren. Max machte ihr unter dem Pelton Wheel den Heiratsantrag.«
    »Dem was?«
    »Eine hydraulische Turbine mit acht Metern Durchmesser, das zentrale Ausstellungsobjekt im Maschinenpalast.« Der Mann holte mehr und mehr aus. »Ein futuristischer Ort für einen Heiratsantrag, alles voller Metall, hell erleuchtet – wie das gesamte

Weitere Kostenlose Bücher