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Unternehmen CORE

Unternehmen CORE

Titel: Unternehmen CORE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Preuss
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ausgelöst. Vor einigen Jahren – einige Jahre, bevor sein Vater verschwand – hatte Leidy das Institut gegen sich aufgebracht, als er einige unhöfliche Bemerkungen gegen das hohe Tier von Professor äußerte, den die Times und alle anderen mit Vorliebe zitierten.
    Leidy hielt sich für ehrlich, direkt und wissenschaftlich korrekt. Gut. In jenem Fall war es nur der Zeitpunkt, der ungünstig gewählt gewesen war; er hatte sich selbst aus der Bahn geworfen, noch bevor er auf dem Karrieregleis war. Seit Caltech ihn ziehen ließ, hatte er seine Dienste auf Beraterbasis in der Stadt verkauft, manchmal an JPL, manchmal an USGS, manchmal an ARCO und Chevron und andere Ölgesellschaften, hin und wieder auch an seine früheren Kollegen.
    Er hatte damit Geld verdient, sehr viel mehr, als er als Postdoktorand verdient hätte. Noch mehr jedoch erhielt er durch neue, eigene Ideen, die die Lokalisierung und Identifizierung von potentiell wertvollen geologischen Formationen betrafen. Untersuchung, Entwicklung und Verkauf dieser Ideen bedeutete jedoch, daß er oft und lange – manchmal einige Wochen – von seiner Frau und ihrem kleinen Sohn getrennt war.
    Ab einem gewissen Punkt hatte sich Jane geweigert, so weiter zumachen. Es gebe viele Themen, über die man sich unterhalten müsse, sagte sie, was an ihr aber am meisten nagte, war die Tatsache, daß er, während er die ganze Zeit an seinem Vater herumnörgelte (er mußte zugeben, er neigte dazu, sich über Cyrus aufzuregen), gleichzeitig versuchte, das Leben seines Vaters nachzuleben. Und wenn das stimmte (es stimmte nicht, aber ja, aus ihrer Sicht …), dann könne sie die Zukunft vorhersehen, denn dann habe sie keine.
    All die lautstarken Auseinandersetzungen, das wütende Schweigen und das schreiende Kind voll rotgesichtigem, verzweifeltem Unverständnis, der Streit darüber, was wem gehöre – es würde nicht verwundern, wenn sie ihn verlassen hätte oder er sie dazu gezwungen hätte. Sie waren noch immer offiziell verheiratet, aber seit einem Jahr hatten sie nicht mehr zusammengelebt.
     
    In einen Schacht fallen, verlassen von allen. Von einer Brücke springen oder hinabgestoßen werden. Oder einfach in den Nebel hineinschreiten und sich auflösen …
    Leidy erwachte aus dem Schlummer, den er nicht gewollt hatte, mit einem sauren gummiartigen Geschmack im Mund. In seinem Schoß befanden sich die Zeitschriften, darüber eine dünne blaue Decke, die ihm jemand übergelegt hatte. Violette und kalte rote Streifen zeigten sich im ovalen Fenster. Die modernisierte alte 747 raste der frühen Morgendämmerung voraus.
     
    Vom Kennedy Airport nahm er, nachdem er sich durch den Zoll gequält hatte, den Airport-Bus zur Grand Central und bestieg einen Zug. Zwei Stunden später traf er seine Mutter im Bahnhof von New Haven.
    Greta lächelte aus reiner, heller Freude, als sie ihn sah, umarmte ihn und bestand darauf, selbst zu fahren. Ihr von feinen Falten durchzogenes Gesicht besaß eine gleichmäßige Bräune, ihr grau-blondes Haar, das sie nach hinten legte, war so lang wie zu der Zeit, als sie noch ein Mädchen war. Der blaue Volvo hatte auf dem Dach Skiständer.
    Ihr schindelbedecktes Cottage war einst die Sommerwohnung ihrer Eltern gewesen; es lag am Long Island Sound, auf einer kleinen Granitspitze, die mit Birken bestanden war. Jedesmal, wenn er zu Besuch war, wies er auf die, wie er meinte, horrende Heizkostenrechnung im Winter hin, und jedesmal antwortete sie: »In fünf Jahren warst du, alles in allem genommen, keine zwei Wochen hier. Du weißt nicht, wovon du sprichst.«
    »Ich sehe die Risse in den Wänden.«
    »Bleib einen Winter hier. Dann kannst du alles in Ordnung bringen.« Was heißen sollte, daß sein ganzes Leben in Unordnung war.
    »Komm nach Pasadena und lebe bei mir«, entgegnete er. Er nickte den Wellen zu, die den Granitstrand umspülten. »Wasser macht mich nervös.«
    »Genau wie dein Vater.« Womit dieses Thema erledigt war, wie jedesmal.
    Leidy stand in der Küche, während seine Mutter das Essen – Rindsroulade mit Sauerkraut als Hauptmahlzeit – zubereitete, und erzählte ihr abenteuerliche Einzelheiten von Bergtouren im Hohen Atlas und dem Schrecken seiner Zusammenstöße mit fundamentalistischen Moslems. Es war etwas Merkwürdiges in seinem Vortrag. Er erwähnte die Hirten und das tote Kind, ging aber schnell darüber hinweg; seine Geschichten handelten von Abenteuern, die ihm widerfuhren. Seit er ein Teenager war und anfing, sich bewußt in

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