Unternehmen Delphin
hätte – dann versank Jurij Valentinowitsch in immer größere Ruhe.
Er hatte das ein paarmal bewiesen, als er beim unsichtbaren Kampf gegen den CIA den Kürzeren zog und gute V-Männer verlor. Und er behielt bewundernswert seine Nerven, als er vor zwei Jahren erfuhr, seine Sekretärin Lydia Philipowna, dieses schöne Mädchen aus Kasan, dem er vertraute wie seiner eigenen Hand, arbeite schon seit Monaten insgeheim für die Amerikaner. Nein, Ischlinski regte sich nicht auf. Aber Lydia, die Unvorsichtige, stürzte bei einem Ausflug nach Colorado von einem brüchigen Felsen einige hundert Meter in die Tiefe.
Beim Begräbnis trug Ischlinski den Sarg mit und umarmte bewegt Lydias Vater, der aus Rußland nach Washington hatte anreisen dürfen. Und auch der Vater verstarb bei der Rückreise nach Kasan an einem Herzschlag, denn Ischlinski hatte erfahren, daß er nach dem Begräbnis seiner Tochter Lydia von einem Beamten des CIA angerufen worden war.
Wehe aber, in einem Bericht schrieb die neue Sekretärin ein Wort falsch – da konnte Ischlinski wie ein Wolf werden, der durch den sibirischen Winter irrt und alles vor Hunger anheult.
Jetzt nun meldete ihm eine Stimme am Telefon: »Richard ist tot.«
»So mußte es kommen!« schrie er. »Habe ich nicht gesagt, das Saufen soll er aufgeben? Wogegen ist er gefahren?«
»Gegen eine 9-mm-Kugel, Genosse Oberst«, sagte der Anrufer. Er schien mit Humor begabt zu sein.
»Was reden Sie da?« Ischlinski war plötzlich äußerst gefaßt und konzentriert.
»Erschossen.«
»Richard? Von wem?«
»Darüber denken wir auch nach.«
»Denken? Wieso? Natürlich war es das CIA.«
»Das bedrückt uns eben – das CIA war es nicht. Die Amerikaner stehen ebenfalls vor einem Rätsel. Richards Tarnung war vorbildlich.«
»Man sieht's!« sagte Ischlinski sarkastisch. »Ist Luka in der Nähe?«
»Neben mir.« Der Sprecher gab den Hörer ab, Luka meldete sich. Ischlinski klopfte mit der Faust auf seinen Tisch:
»Luka, Sie kümmern sich jetzt intensiver um Richards Auftrag! Bis heute habe ich der Delphinsache nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Aber Richards Tod beweist: Da muß etwas Großes dahinterstecken. Delphin ist wahrscheinlich nur ein Code-Wort. Kümmern Sie sich mit allen Mitteln um diese ›Delphine‹. Was macht Bonny?«
»Keine Spur von ihm.« Lukas Stimme wurde etwas unsicher. »Nur durch Zufall werden wir einmal auf ihn stoßen.«
»Bei seinem ausgefallenen Beruf?«
»Das ist genauso, als wenn ein Metallograph als Maschinenschlosser nach Sibirien ginge und auch noch seinen Namen wechselte – wie wollen Sie ihn da jemals entdecken, Genosse Oberst? Bonnys Beruf ist weit verbreitet, den Namen zu ändern, in Amerika keine Schwierigkeit. Und ob er jetzt überhaupt noch als Mediziner arbeitet, scheint mir fraglich. Nur in New York braucht er zu leben, da ist er völlig anonym unter Millionen!«
Ischlinski legte auf. Der Mann mit Decknamen Bonny lag seit über drei Jahren schwer auf seiner Seele. Er war ein hervorragender Agent gewesen; so korrekt und dabei vertrauenswürdig, daß niemand ihm diese geheime Rolle zutraute. Seine Informationen waren immer hervorragend und stellten sich als richtig heraus, er war eine Glanznummer von Ischlinski. Was immer man ihm auftrug – Bonny löste die Aufgabe mit Bravour.
Dann kam der Schwarze Donnerstag für Jurij Valentinowitsch. CIA und FBI schlugen morgens um 5 Uhr im ganzen Land zu. In San Francisco und Boston, in New York und New Orleans, in Chicago und in Washington. Überall genau dort, wo sowjetische V-Männer saßen, wurden die bisher prächtig getarnten Agenten verhaftet. Innerhalb einer Stunde stand Ischlinski fast ohne einen Mann da – nur Bonny konnte entwischen. Als das CIA bei ihm klingelte und dann die Wohnungstür aufbrach, sah man, daß Bonny in größter Eile geflüchtet war. Jemand mußte ihm einen Wink gegeben haben.
Das hätte Ischlinski beruhigen können, aber da war etwas, was unverzeihlich ist und was Jurij Valentinowitsch bis heute nicht verwunden hatte: In seiner überstürzten Flucht hatte Bonny nicht alle Unterlagen vernichtet. Unter einer losen Diele im Schlafzimmer fanden die Experten des CIA eine Liste mit fast allen Agenten des KGB. Die meisten waren ohnehin an diesem Morgen verhaftet worden – und nun wurde, wer noch fehlte, drei Stunden später rund im Land ebenfalls noch abgeführt. Ischlinskis Organisation war an diesem Donnerstag innerhalb weniger Stunden zerschlagen worden. Allerdings tauchte
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