Unternehmen Delphin
Tampa hinaus in Richtung Gainesville, und es schien so, als wolle sie den großen Highway Nummer 10 erreichen. Die letzte Meldung gab dann Klarheit: Nummer 10 erreicht, aber nicht Weiterfahrt in Richtung Jacksonville, sondern nach Osten, in die allgemeine Richtung New Orleans.
»Ich folge ihnen noch«, sagte die tiefe Stimme über Telefon. »Aber lange geht das nicht mehr. Ich schlafe am Steuer ein. Sie fahren mit dreifacher Besatzung, aber ich bin allein. Bis Pensacola hoffe ich noch durchzuhalten, aber dann müßte der Wagen allein laufen. Was soll ich tun? Erwarte gegen 3 Uhr morgens Ihren Anruf im Drive-in von Tallahassee. Ende.«
Ischlinski sah auf die Uhr. Noch eine Stunde Zeit. Aus dem Regal holte er eine große Karte vom Süden Amerikas und starrte auf die breite Linie den Highway Nummer 10. Wohin wollen sie, dachte er. Nach New Orleans? Da gibt es keine geheimen militärischen Einrichtungen. Fahren sie weiter bis nach New Mexico? Dann müßten sie dort abschwenken nach Los Alamos. Das wäre eine Erklärung. Eine Fracht für das Atomzentrum Los Alamos. Dort wurde die erste Atombombe entwickelt, und dort geschehen heute noch Dinge, die man in Moskau mit großer Unruhe beobachtet.
Aber warum nehmen sie dann den langen Landweg und nicht den kurzen, der Beobachtung entzogenen Luftweg? Und was soll die dämliche Tarnung mit den Delphinen? Das alles paßt in keine Logik.
Ischlinski setzte sich in einen Sessel, rauchte eine Zigarette und grübelte. Sie werden Tag und Nacht fahren, in drei Schichten, wie Paco meldet. Also werden auch wir ihnen Tag und Nacht folgen. Wir werden sie weiterreichen von Station zu Station und sie nicht aus den Augen lassen.
Aus dem Panzerschrank holte er die verschlüsselte Liste aller Männer, Frauen und Organisationen, die er im Laufe der Jahre angeworben hatte. Über die ganzen USA verstreut, mit Schwerpunkten, an denen besonders ausgebildete Agentenführer saßen, hatte Ischlinski ein engmaschiges Netz von V-Männern ausgebreitet. Da gab es Straßenkehrer, die für ihn arbeiteten, genau so wie angesehene Geschäftsleute oder Lehrer, Ingenieure oder Architekten, Regierungs- und Distriktbeamte oder Polizeioffiziere, Wissenschaftler oder Barbesitzer, Bordellwirte oder Offiziere, Flugschulen oder Autowerkstätten.
Eine Stunde lang stellte Ischlinski eine Liste zusammen; er setzte den Hubschrauber einer Flugschule ein, den niemand verdächtigen würde; einen Truck, der leere Flaschen laden würde; einen Bäcker, der mit vier Freunden eine Urlaubsreise in einem Wohnmobil unternahm, und sechs Privatleute, die der geheimnisvollen Kolonne als harmlose Geschäftsreisende folgen sollten.
Bis New Mexico, mit dem Ziel Los Alamos, setzte Ischlinski zunächst listenmäßig seine Leute ein und griff dann zum Telefon, um Paco in Tallahassee anzurufen. Es war genau drei Uhr morgens.
Im Drive-in schien Paco neben dem Telefon gesessen zu haben. Nach wenigen Sekunden war er am Apparat.
»Sie sind hier vor einer halben Stunde durch«, sagte Paco mit müder Stimme. »Vorweg Polizei, am Schluß Polizei. In Drifton ist noch ein Jeep der US Army dazugekommen und fährt jetzt in der Mitte. Sie fahren ohne Pause, nur zum Tanken haben sie einmal angehalten. Sir, ich falle vor Erschöpfung gleich vom Stuhl.«
»Sie werden in Pensacola abgelöst. Ein Lieferwagen mit leeren Flaschen übernimmt den Konvoi. Der Fahrer wird Sie um Feuer für seine Zigarette bitten. Schaffen Sie es noch bis Pensacola?«
»Wenn ich mir die Lider mit Heftpflaster hochpappe, vielleicht.«
»Wie alt sind Sie, Paco?« fragte Ischlinski, fast angewidert.
»Fünfundzwanzig, Sir.«
»Mit fünfundzwanzig sind unsere Leute bei der Schlacht um Kursk fünf Tage und fünf Nächte marschiert und haben dann noch die Deutschen besiegt. O Jammer, welch eine schlappe Generation wächst da heran!«
»Ich hätte nie den Ehrgeiz, eine Schlacht zu gewinnen, Sir«, sagte Paco, und Ischlinski hörte ihn breit und laut gähnen. »Diskutieren wir nicht darüber, das macht nur noch müder. Ich werde bis Pensacola durchhalten und die Delphine an die leeren Flaschen übergeben.« Paco gähnte wieder. »Wissen Sie, was einen so auf den Boden drückt? Diese Kolonne schleicht über den Highway. Da hinterher zu fahren, immer mit Abstand – da fallen einem die Augen automatisch zu. Sind Sie schon mal über 500 Kilometer permanent über die Straße geschlichen? Mörderisch, Sir … Noch Aufträge?«
»Ja!« sagte Ischlinski grob. »Legen Sie sich ins Bett
Weitere Kostenlose Bücher