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Unternehmen Vendetta

Unternehmen Vendetta

Titel: Unternehmen Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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nach Hause gegangen.
    Carl bat Åke Stålhandske, er möge auf ihn warten, ging in sein Zimmer, zog Zivilkleidung an und nahm seine beiden Flugtaschen mit in den Korridor, überlegte es sich, ging wieder ins Zimmer und holte ein Scheckheft, das er in die Jackentasche steckte.
    »Kann ich über Nacht bei dir bleiben?« fragte er tonlos, als er wieder in Åke Stålhandskes Zimmer war. Die Antwort war ein kurzes Kopfnicken. Sie löschten das Licht und gingen in die Mittsommernacht hinaus. Kurz darauf waren sie bei Åke auf Gärdet, und als sie die Wohnung betraten, fiel Carl sofort der große Unterschied in Einrichtung und Geschmack auf. Stålhandskes Stil war unleugbar etwas üppiger. Dicke Ledersessel, Marinegemälde an den Wänden, gekreuzte Säbel im Flur.
    Carl stellte seine Taschen ab und ging selbst als erster ins Wohnzimmer. Dort machte er eine Schreibtischlampe an, holte ein Flasche Bourbon und zwei Gläser aus dem Barschrank, goß ein und reichte Åke ein Glas. Stålhandske nahm es ohne ein Wort entgegen. Jetzt erst kam beiden die Erkenntnis, daß sie fast den ganzen Abend nicht miteinander gesprochen hatten.
    »Wie hat sie es aufgenommen? Ich meine, Joars Mutter?« fragte Stålhandske und sank Carl gegenüber in einen der großen englischen Sessel.
    »Schwer zu sagen«, erwiderte Carl zögernd. »Verdammt schwer zu sagen. Wir haben wohl alle einen Schock bekommen. Wie hast du es aufgenommen? Wie habe ich es aufgenommen?«
    »Joar war ein guter Kerl, ein verdammt guter Kerl«, stellte Åke Stålhandske fest, rieb sich die Augen, kippte seinen Whisky, goß erneut ein Glas voll und hielt Carl fragend die Flasche hin. Dieser folgte seinem Beispiel.
    »Was passiert jetzt? Was zum Teufel sollen wir tun?« fragte Stålhandske nach einer Weile.
    »Ich bin beurlaubt. Du bist ebenfalls beurlaubt«, erwiderte Carl kurz und geistesabwesend.
    »Ich bin doch nicht beurlaubt, verdammt noch mal«, wandte Åke Stålhandske ein.
    »Doch«, gab Carl knapp zurück. »Du bist seit einer Stunde beurlaubt. Ich bin dein direkter Vorgesetzter, ich habe die Papiere ausgefüllt, die dazu nötig sind, und sie Sam auf den Schreibtisch gelegt.«
    Åke Stålhandske betrachtete Carl mit spürbarem Mißtrauen. Dies sah Carl überhaupt nicht ähnlich. Man kann doch nicht einfach zusammenbrechen und heulen. Sie hatten ja alle gewußt, womit sie sich beschäftigten. Es hätte ihnen allen dreien widerfahren können, es hätte jedem einzelnen von ihnen passieren können und konnte immer noch passieren. Und das wußten sie auch.
    »Ich habe verdammt nochmal nicht vor, als beurlaubt herumzusitzen und Trübsal zu blasen. Ich mag dir kaum sagen, daß du nicht den allerbesten Eindruck auf mich machst«, sagte Åke Stålhandske säuerlich und betrachtete seinen zusammengesunkenen Chef.
    Carl nahm plötzlich eine andere Haltung an. Er erinnerte Åke Stålhandske an eine aufblasbare Figur, die mit Luft gefüllt wird, bei der man erst die Umrisse erkennt und die dann allmählich ausgefüllt wird. Diese Augenblicke würden ihm für immer im Gedächtnis bleiben.
    Carl stellte sein Glas hin, sah hoch und fragte, ob Åke eine Karte von Sizilien im Haus habe. Dieser holte sofort einen Atlas und schlug ein Kartenblatt von Süditalien auf. Unterdessen hatte Carl einen Scheck ausgeschrieben, den er Åke überreichte.
    »Hier sind fünfhunderttausend Kronen für deine Spesen. Laß dir für alles eine Quittung geben«, begann Carl. Åke Stålhandske nahm den Scheck ohne jeden Protest entgegen, faltete ihn zusammen und steckte ihn in die Brusttasche.
    »Es ist privates Geld, und wir werden die Quittungen brauchen«, erklärte Carl und legte dann den Finger auf die Sizilienkarte. »Das hier wird unser Operationsgebiet. Du sollst dich hier als amerikanischer Seglerhippie etablieren, in der Bucht vor Castellammare del Golfo. Miete dir irgendwo auf dem Festland ein Boot und segle dann rüber. Das Boot sollte für vier Personen plus Ausrüstung Platz bieten, eine ganze Menge Ausrüstung sogar. Das Boot sollte wie ein schwedischer Kutter aussehen oder ein kleineres Fischerboot. Das wäre ideal. Was für eine private Taucherausrüstung hast du?«
    Åke Stålhandske war so verblüfft, daß er zunächst nicht antworten konnte. Carl hatte im Lauf einer Minute eine totale Persönlichkeitsveränderung durchgemacht. Dies war kein am Boden zerstörter, verzweifelter und handlungsunfähiger Stabsoffizier mehr. Dies war ohne Zweifel das genaue Gegenteil davon, dies war

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