Unternehmen Vendetta
in der Gegend um die Via Roma und das Hotel herum systematisch ausgeweitet. Er hatte auch das Hotel spät in der Nacht, fast schon in der Morgendämmerung, durchsucht und sich gezwungen, Autofahrten aus der Stadt und in die Stadt zu üben.
Er betrachtete den in mattem Gold und Kobaltblau schimmernden Jesus Christus. Das Heiligtum in Monreale stammte aus der Normannenzeit und war auf den ersten Blick eine Mischung aus oströmischen und arabischen Stilelementen sowie etwas anderem, was Carl nicht näher bestimmen konnte.
Die Gewölbe der beiden Kirchenschiffe waren ganz mit Goldmosaiken ausgekleidet, und die Motive waren Strafe und Belohnung, der Lohn der Tugend, den Noah erhielt, als die Arche am Ende der Bildserie schließlich sicher an Land stand, oder die Strafen, die von den Erzengeln den Sündern auferlegt wurden. Das vor achthundert Jahren herrschende Regime hielt die Bevölkerung in der Zucht und Ermahnung des Herrn, das ging aus den Bildern hervor. Das Regime mußte Frieden gehabt haben, denn das war die Voraussetzung für einen Wohlstand, der es erlaubte, Kunsthandwerker jahrzehntelang arbeiten zu lassen, damit sie eine Kirche mit Millionen kleiner Goldstücke ausschmücken konnten, die nach und nach eingefügt wurden. Es mußte ein völlig anderes Sizilien gewesen sein.
Da Piemonte kam exakt zur festgesetzten Zeit, als wäre er Offizier des Nachrichtendienstes. Er war allein, doch Carl machte sich keine Illusionen darüber, wie es draußen vor dem einzigen offenen Seiteneingang zur Kirche aussah.
Carl erhob sich, als sie sich die Hand gaben, worauf beide nebeneinander auf die Bank sanken und die Pracht eine Weile schweigend betrachteten.
»Nette Idee, daß wir uns hier treffen sollten«, sagte Carl schließlich. »Soviel ich sehe, ist es normannische Kunst. Herrschte damals auf Sizilien Frieden?«
»Ja«, erwiderte Da Piemonte mit einem amüsierten Seitenblick, »ja, tatsächlich. Was bringt Sie darauf, Comandante?«
»Die Bilder. Ich finde, die Bilder sagen es aus. Sie zeugen von Stabilität, Recht und Ordnung. Es scheint damals keine übertriebene Straf und Schreckenspropaganda gegeben zu haben, sondern eine ruhige, selbstbewußte Gottesfurcht, ungefähr so.«
»Lustige Beobachtung. Es stimmt natürlich vollkommen. Den Normannen gelang es, unvereinbare Dinge miteinander in Einklang zu bringen. Während dieser Periode hielten Araber, Sizilianer und Normannen Frieden. Ich kann nicht genau sagen, woran es lag, aber das war vielleicht Siziliens beste Zeit. Dann kamen die Spanier, und damit wurde alles anders.«
»Hat die Mafia ihren Ursprung im Widerstand gegen die Spanier?«
»Vielleicht. Norditalien geriet unter germanisches Recht, germanische Ordnung und polizeiliche Bürokratie. Vermutlich gab es auch dort etwas, was wir Mafia nennen würden, aber das wurde ausgerottet. Und jetzt sitzen wir hier sozusagen achthundert Jahre später. Ich habe heute mit dem Palazzo gesprochen. Das war meine erste Amtshandlung, als mir klar wurde, daß Sie zurückgekommen sind.«
»Und?«
»Rom scheint der Meinung zu sein, wir sollten unser Äußerstes tun, um Ihnen zu assistieren. Sehr interessant, vor allem, weil mir gar nicht klar ist, worauf Ihr Vorhaben hinausläuft.«
Carl blieb eine Zeitlang schweigend sitzen und betrachtete das große Christusbild unter der Kuppel. Es war definitiv nicht die Zeit für eine Beichte, aber auch nicht für Lügen.
»Das Ziel des Vorhabens ist die Zerschlagung sämtlicher Pläne des organisierten Verbrechens, mit anderen Worten der Pläne Don Tommasos und seiner Bande, hochkomplizierte Waffentechnik in die Hand zu bekommen, die sie weiterzuexportieren gedenken. Darum geht es letztlich.«
»Schwedische Waffen?«
»Ja, schwedische Waffen, die für die italienische Marine gedacht sind.«
»Das erklärt die Reaktionen in Rom. Es handelt sich also nicht um eine gewöhnliche kleine Entführung?«
»Nein. Wir haben natürlich trotzdem den Ehrgeiz, die Schweden freizubekommen. Sie werden so lange am Leben sein, wie Don Tommaso glaubt, Waffengeschäfte machen zu können.«
»Glaubt er das?«
»Ich hoffe es. Ich hoffe, er liest Zeitungen, denn das haben Sie sicher auch getan?«
»Ja, aber ich schenke solchen Berichten meist keinen Glauben. Nun, was kann ich für Sie tun?«
»Am Flughafen liegt eine große Sendung für mich bereit, und falls sie noch nicht eingetroffen ist, wird sie bald kommen. Sie lautet auf Ihren Namen, Sie sind also der Adressat, und der Absender nennt sich
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