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Unternehmen Vendetta

Unternehmen Vendetta

Titel: Unternehmen Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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an.
    Der Außenminister sprach von Mut, von dem für die Umwelt so unfaßbaren Mut, den Männer wie Hauptmann Joar Lundwall repräsentierten, sprach davon, wie wichtig es für ein kleines neutrales Land wie Schweden sei, sich verteidigen zu können. Er sprach von der Mischung aus Dankbarkeit und Demut, die wir anderen vor den Männern und Frauen in unserem Land empfinden müßten, die nicht einmal zögerten, den äußersten Preis dafür zu zahlen, um das hochzuhalten, woran wir alle glaubten. Der Außenminister sagte ferner, daß die meisten Menschen es vielleicht vergäßen, daß die Tragödie, die jetzt wie ein Blitz aus dem immer unruhiger werdenden Himmel der Weltpolitik eingeschlagen habe, als Erinnerung daran dienen müsse, welchen Preis nicht nur Männer wie Hauptmann Lundwall in jedem Augenblick zu zahlen bereit seien, sondern erwähnte auch die Werte, die über allen politischen und ideologischen Gegensätzen stünden, die Werte, die uns als Land, als Nation und Volk vereinten.
    Das war schön, maßvoll und nicht zu gefühlsbeladen und würde sich in den abendlichen Fernsehsendungen ausgezeichnet machen.
    Hinterher defilierten die Gäste in festgelegter Reihenfolge an Joar vorbei, zunächst Joars Mutter und Carlos, der sie am Arm hielt und sie stützte. Sie blieben am Sarg stehen und weinten offen, als sie ihre Blumensträuße auf den Sarg legten. Beide hatten rote Rosen gewählt. Niemand der Anwesenden verzog eine Miene. Vielleicht verstand niemand außer Joars Mutter, Carl und Beata Carlos’ Beziehung zu Joar.
    Die Vertreter des Militärs verabschiedeten sich dem Rang nach von Joar. Als erster defilierte der Oberbefehlshaber am Sarg vorbei und Carl als letzter. Einer nach dem anderen nahm Haltung an, bevor alle zum Ausgang gingen. Joar sollte eingeäschert werden und blieb in der Kapelle.
    Als Carl sie als letzter verließ, blieb er unrettbar im Chaos, dem Gedränge von Journalisten und Fernsehkameras stecken. Der Außenminister hatte soeben ein paar Überlegungen über das nationale Gemeinschaftsgefühl in solchen Momenten beendet, als Carl Mikrophone entgegengehalten wurden, denen er im Gedränge nicht entkommen konnte.
    Jemand fragte ihn, was für ein Gefühl es sei, von einem Kollegen Abschied zu nehmen. Er brachte es nicht über sich zu antworten. Er empfand nur doppelte Verzweiflung darüber, weil er tatsächlich Abschied genommen hatte und weil die Frage so idiotisch und unmöglich war. In diesem Moment konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten, sich aber auch nicht aus dem Staub machen. Die Fernsehkameras nahmen alles gierig in sich auf. Die nächste Frage lautete, ob Maßnahmen ergriffen werden würden, um die Mörder aufzuspüren und zu bestrafen. Carl, der sich vergebens bemüht hatte, die erste Frage nach seinen Gefühlen zu beantworten, zwang sich jetzt, etwas zu sagen. Ihm war schwach bewußt, daß er im Fernsehen nicht einfach nur weinen konnte.
    »Diese Frage kann aus einleuchtenden operativen Gründen nicht beantwortet werden«, sagte er, wobei ihm mehrmals die Stimme versagte. Er mußte seine ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um weitersprechen zu können. Die Verwandlung seines Gesichts kam im Fernsehen außerordentlich gut an und wurde natürlich völlig falsch gedeutet, als er fortfuhr:
    »Es würde mich sehr erstaunen, wenn die Mörder Hauptmann Lundwalls den Sommer überleben. Ebensowenig glaube ich, daß die Mafia-Organisation, die hinter dem Mord steckt, noch sehr lange am Leben bleiben wird.«
    Daraus ergab sich für den Fernsehreporter die selbstverständliche Anschlußfrage, inwieweit Fregattenkapitän Hamilton persönlich an der Jagd nach den Mördern teilnehmen werde. Er antwortete, selbst wenn es so wäre, könne er sich nichts Ungeeigneteres vorstellen, als im voraus im Fernsehen darüber Auskunft zu geben. Im nächsten Augenblick entdeckte er eine Lücke im Gedränge. Es gelang ihm, sich zu entschuldigen und sich zu den Wagen zu bewegen, bei denen die Säpo-Leute standen und in ihre Sprechfunkgeräte sprachen.
    Kaum hatte er sich in den schwarzen Wagen gesetzt und die Tür hinter sich zugezogen, hatte er Joar, Tessie, Schweden und alles andere hinter sich gelassen. Er befand sich schon in Palermo.

5
    Am vierten Tag überkam ihn zum ersten Mal so etwas wie eine kurze Ruhe. Er hatte Palermo auf der Suche nach geeigneten Orten und Gebieten für all das, was kommen würde, mit fieberhafter Intensität durchsucht. Er hatte sich meist zu Fuß bewegt und seine Ortskenntnis

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