Unternehmen Vendetta
ihn, dann werde ich gern gegen ihn aussagen.«
Oberst Da Piemonte lächelte schief und schüttelte den Kopf. Carl konnte nicht begreifen, weshalb sein Vorschlag zweifelhaft und unbeabsichtigt komisch war.
»Nun«, sagte der Oberst, als hätte er nichts gehört, »wir sollten uns jetzt einigen anderen Dingen zuwenden. Ihr gesamtes Gepäck ist jetzt im Haus. Sie können sich hier umziehen, wenn Sie wollen. Die Hotelrechnung haben wir erst mal übernommen, und wir haben auch versucht, das Hotelpersonal zum Schweigen zu vergattern. Bleiben noch einige düstere Formalien. Wünschen Sie, daß ich Sie zum Krankenhaus begleite?«
»Ist das nicht ein reichlich kostbarer Personenschutz?«
Oberst Da Piemonte mußte erneut ein in dieser Situation unpassendes Lächeln unterdrücken.
»Nein, nein, Comandante. Ich bin nicht Ihr Personenschutz, sondern will Sie aus Respekt vor Ihnen und unserem gefallenen Kollegen begleiten.«
»Hättest du dieser Zeitung nicht das Maul stopfen können?« brummelte der Ministerpräsident, als sie im Reichstagsgebäude mit dem Fahrstuhl zum Sitzungssaal im neunten Stock fuhren.
Staatssekretär Lars Kjellsson verbarg ein schadenfrohes Lächeln. Die Frage war ja nicht an ihn gerichtet.
»Das ist gar nicht so leicht, wie du zu glauben scheinst«, murmelte Staatssekretär Peter Sorman. »Natürlich wäre es gegangen, mit Expressen , Aftonbladet , Rapport und all den anderen zu sprechen. Es wäre zwar mühsam gewesen, aber im Prinzip wäre es gegangen.«
»Ja, tatsächlich? Und warum hast du es nicht getan?« fuhr der Ministerpräsident mit saurer Miene fort, als der Fahrstuhl hielt und er sich bereit machte, als erster auszusteigen.
»Wäre es dir lieber gewesen, die Nachricht in einer unserer illustren Fernsehstationen präsentiert zu bekommen, mit der Ergänzung, die Regierung habe versucht, alles unter dem Deckel zu halten und damit die freie Meinungsäußerung behindert und all das?«
Die Frage konnte nur mit einer Grimasse des Abscheus beantwortet werden.
Das Parteiführertreffen, denn zu einem solchen waren die drei Vertreter der Regierung gerade unterwegs, ist ein spezifisch schwedisches Forum, eine Methode, die Opposition zum Schweigen zu bringen. Man ruft die Opposition zu sich, erzählt, was man getan hat, und bittet sie, andere Maßnahmen vorzuschlagen. Wenn niemand auf der Stelle einen Gegenvorschlag zustande bringt, der die Billigung der Konkurrenten findet, befindet man sich im Einvernehmen - was eine politische Opposition verhindert und die Geheimnisse bewahrt, die als bewahrenswert gelten.
Das Arrangement ist geschmeidig und unbürokratisch und im Grunde nur mit einigen kleinen politischen Risiken behaftet: Wenn die Regierungspartei den anderen Parteiführern etwas vorlügt, kommt das dicke Ende hinterher, und künftige Übereinkünfte mit dem Ziel, eine Debatte zu verhindern, könnten erschwert werden. Wenn sogar die kleinen Parteien eingeladen werden, die man nicht ohne weiteres zum Schweigen bringen kann, können die Diskussionen unnötig lang werden. Sollten sie aber ausgeschlossen werden, haben sie freie Hand, sich in den Massenmedien auszutoben.
In der Regierungskanzlei war man schnell zu dem Schluß gekommen, daß dieses Treffen am aussichtsreichsten war, wenn man alle Parteiführer einlud, sogar einen Vertreter der Umweltpartei.
Die anderen hatten es sich im Sitzungssaal offenbar schon bequem gemacht, als der Ministerpräsident mit seinen zwei Mitarbeitern hereinkam, ans Rednerpult trat, den Teilnehmern des Treffens zunickte und dem Personal des Sicherheitsdienstes ein Zeichen gab, sie sollten die Türen schließen.
»Es freut mich«, begann der Ministerpräsident, »daß sich alle so kurzfristig haben freimachen können. Wir sind ja mit anderen Dingen mehr als beschäftigt, jedenfalls die meisten von uns.«
Alle Anwesenden im Raum befanden sich in dem beginnenden Höhepunkt des Wahlkampfs. Allein in der letzten Woche war die Temperatur erheblich gestiegen, und in den Massenmedien kamen schon die ersten »Affären« des Wahlkampfs zur Sprache: Ein sozialdemokratischer Politiker war bei einer Steuerhinterziehung erwischt worden, und ein konservativer Reichstagsabgeordneter hatte sich erneut durch Besuche in den bekannten Prostituiertenvierteln Stockholms hervorgetan.
So wie es jetzt aussah, würden die Rollen der Anwesenden in ein paar Monaten vertauscht sein.
»Es geht natürlich um eine Frage, deren Diskussion in der aufgeregten Form, wie sie in einem Wahlkampf
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