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Unternehmen Vendetta

Unternehmen Vendetta

Titel: Unternehmen Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Lundwall und ich suchten sofort Deckung. Der Schütze feuerte eine Salve von sieben oder acht Schuß auf Lundwall ab, wovon mehrere Treffer waren. Anschließend kam das Motorrad noch etwas näher. Der Schütze feuerte eine weitere Salve von zehn bis zwölf Schuß ab, ja, die Zahl ist schwer zu schätzen. Darauf richtete der Schütze seine Waffe auf mich, und es war mir klar, daß er immer noch Munition im Magazin hatte. Aber statt zu feuern, zeigte er mir den Finger, das heißt er machte das Zeichen, ich soll mich zum Teufel scheren, oder wie man das nennen soll. Dann klopfte er dem Fahrer zum Zeichen, daß sie losfahren sollten, auf die Schulter. Das Motorrad raste sofort los. Unmittelbar darauf leitete ich Rettungs und Wiederbelebungsversuche ein. Ja, dann kam der Krankenwagen und… wenn die Herren noch mehr wissen wollen, müssen Sie fragen.«
    Eine Zeitlang erfüllte verblüfftes Schweigen den Raum. Die beiden Italiener wechselten einen fragenden Blick. Zunächst brachte es keiner von ihnen über sich, Fragen zu stellen.
    »Nun, das nenne ich eine unleugbar ungewöhnliche Zeugenaussage«, begann Da Piemonte vorsichtig. »Aber Sie haben sicher nichts dagegen, daß wir noch ein paar ergänzende Fragen stellen?«
    Carl zuckte die Achseln, worauf die beiden kurz auf italienisch beratschlagten, bevor der Oberst sich erneut räusperte und die Initiative ergriff.
    »Darf ich dann erstens fragen, ob Sie schon mal in diesem Lokal gewesen waren?«
    »Ja, es war das zweite Mal. Wir hatten schon am Morgen zuvor dort gefrühstückt.«
    »Aha. Hatten Sie Grund zu der Annahme, daß Sie bis zu dem Lokal verfolgt wurden?«
    »Nein. Aber der Umstand, daß keiner von uns etwas von einer Verfolgung entdecken konnte, denn wir hatten natürlich routinemäßig Ausschau gehalten, heißt ja noch lange nicht, daß wir nicht…«
    »Nein, natürlich nicht. Aber das Motorrad war Ihnen bis dahin völlig unbekannt?«
    »Ja, bis zu dem Augenblick, in dem es auftauchte.«
    »Sie haben offenbar beobachtet, daß einer der Kellner bewaffnet war?«
    »Ja.«
    »Hat Sie diese Beobachtung nicht beunruhigt?«
    »Nein.«
    »Darf ich fragen, warum?«
    »Ich kam zu dem Schluß, daß die Gegenwart einer kleinkalibrigen Waffe keine Bedrohung meiner Person und Hauptmann Lundwalls darstellte. Der Schütze hätte einem von uns möglicherweise Wunden beibringen können, obwohl selbst das zweifelhaft ist, um danach entwaffnet und verschnürt Ihnen übergeben zu werden. Außerdem habe ich den Eindruck gewonnen, daß hier in Palermo zahlreiche Handfeuerwaffen in privater Hand sind.«
    Oberst Da Piemonte konnte seine Verblüffung über die Antwort trotz erheblicher Anstrengung nicht verbergen. Er hob die Augenbrauen fast bis zu dem nicht vorhandenen Haaransatz und verharrte mit dieser Miene, bis er sich nach einer Zigarette ausstreckte.
    »Ich glaube nicht, daß wir im Moment noch weitere Fragen haben«, sagte er kurz, nachdem er seine Zigarette angezündet hatte. Dann nickte er seinem Untergebenen zu, dieser solle das Tonbandgerät ausschalten. »Sie haben einen hochentwickelten Sinn für Details, Comandante.«
    »Das gehört zu meinem Job. Aber darf ich Ihnen auch ein paar Fragen stellen?«
    »Ja, bitte sehr.«
    »Warum hat der Mann mich nicht unter Feuer genommen? Der Schütze hatte seine Waffe in nur wenigen Metern Entfernung auf mich gerichtet.«
    »Weil nur die Absicht bestand, Hauptmann Lundwallo zu töten. Man hat Ihnen etwas vorgeführt, was hier auf Sizilien vendetta transversale genannt wird. Man zeigt auf einen Mann, nämlich auf Sie, erschießt jedoch einen anderen.«
    »Was für einen Sinn hat das?«
    »Man könnte es eine arrogante Geste nennen, eine Art Machtdemonstration. Man verzichtet aus reiner Verachtung darauf, Sie zu töten.«
    »Das erklärt auch dieses Fuck you-Zeichen?«
    »Ja, ohne Zweifel. Man kann es jedoch auch umdrehen. Aus Respekt gerade vor Ihnen zieht man es vor, nur Ihren Untergebenen zu erschießen.«
    »Also Don Tommaso?«
    »Selbstverständlich.«
    »Warum hatte der Schütze sich nicht maskiert, wenn ohnehin allen klar sein muß, wer der Auftraggeber ist? Ich könnte ihn ja etwa bei einer Gegenüberstellung identifizieren.«
    »Schwer zu sagen. Normalerweise rechnen unsere picciotti nicht damit, geschnappt zu werden, noch weniger damit, daß jemand als Zeuge gegen sie aussagt.«
    »Sie haben jetzt ja eine gute Personenbeschreibung. Mit einem solchen hellen Fleck im Haar laufen nicht allzu viele Menschen herum. Ergreifen Sie

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