Unternehmen Vendetta
vorkommen kann, niemandem dienlich ist«, fuhr der Ministerpräsident fort und sah sich in der wachsamen Versammlung um, die hellwach und kampfbereit zu sein schien. »Ich werde gleich zur Sache kommen. Wie Sie schon wissen, sind es Zeitungsmeldungen über die Entführung schwedischer Staatsbürger durch die italienische Mafia, die zu diesem Treffen geführt haben. Wir haben uns bislang jedes Kommentars enthalten, da wir die Frage zunächst mit Ihnen besprechen wollen. Das Wort hat Staatssekretär Peter Sorman.«
Peter Sorman räusperte sich diskret. Er verzichtete darauf, ans Rednerpult zu treten, jedoch nicht aus Nonchalance, sondern um die Stimmung von Intimität und Kameradschaft über die Parteigrenzen hinweg beizubehalten, die für schnelle Einigungen am günstigsten war.
»Hintergrund ist der Vertrag, den das frühere Bofors, heute Swedish Ordnance, vor ein paar Jahren mit Italien geschlossen hat«, begann er förmlich. Das hätten allerdings schon viele der Anwesenden nach den gestrigen Zeitungsmeldungen vermuten können.
»Im Außenministerium sind einige beunruhigende Meldungen eingegangen, der italienische Staat werde letztlich nur drei Fregatten bestellen, während der vorläufige Vertrag, also der Kontrakt, der von unserer Kriegsmaterialinspektion gebilligt worden ist und für den der italienische Staat ein Schlußverwenderzeugnis ausgestellt hat, für vier Fregatten galt. Diesen Informationen zufolge soll also die Bewaffnung für eine der Fregatten dabei sein, aus dem regulären Markt zu verschwinden.«
Der Führer der Konservativen ließ einen Pfiff hören. Er war vermutlich der einzige im Raum, der die rein militärische Bedeutung des Gesagten sofort erfassen konnte. Er machte gleichzeitig eine entschuldigende Geste, die bedeuten sollte, daß er nicht die Absicht habe, den Redner zu unterbrechen. Als Peter Sorman fortfahren wollte, klopfte es an der Tür.
Hier oben sollte es unmöglich sein anzuklopfen.
Bevor jemand auf die Idee kam, etwas zu sagen, was am ehesten dem Ministerpräsidenten zugekommen wäre, da er der offizielle Gastgeber war, ging die Tür auf, und da stand die Vertreterin der Umweltpartei, Lena Gaase.
Sie war außer Atem und mühte sich mit einer Handtasche ab, die sich am Türgriff verheddert hatte.
»Verzeihung, daß ich mich verspäte«, sagte sie, »aber es ist ja hoffnungslos, ein Taxi zu bekommen.«
Die Versammlung blieb zunächst stumm.
»Ich dachte, ihr in der Umweltpartei fahrt nur mit dem Fahrrad?« murmelte der Parteichef der Liberalen mit einem unterdrückten Lächeln.
»Nee, aber jemand hat mein Fahrrad geklaut. Man kann in Stockholm ja nirgends mehr ein Fahrrad stehen lassen«, fuhr die Grüne fort und sah sich nach einem geeigneten Sitzplatz um. Sie zögerte, da sie ahnte, die Auswahl des Sitzplatzes könnte parteipolitisch gedeutet werden, was jedoch nicht der Fall war, da alle durcheinander saßen. Schließlich setzte sie sich neben den etwas verschlafenen Chef der Linkspartei und breitete die Arme in einer hilflosen Geste aus, die etwa bedeutete, laßt euch bloß nicht durch mich stören, macht einfach weiter.
»Na schön, aha«, brummelte der Ministerpräsident, ohne seine Irritation ganz verbergen zu können. »Da wir jetzt endlich alle versammelt zu sein scheinen, ist es wohl am besten, Peter, du fängst wieder von vorn an.«
Peter Sorman verzog keine Miene, als er erneut ansetzte. Er arbeitete sich schnell und knapp zum Kern der Angelegenheit vor.
»Das Außenministerium hat sich geweigert, die Sache zu kommentieren. Die Erklärung ist natürlich einfach, und ich hoffe, das wird von allen verstanden. Die offizielle Politik Schwedens, unsere Linie also, besteht darin, weder mit Ganoven noch Terroristen zu verhandeln. Diesem Prinzip stehen jetzt jedoch zwei Menschenleben entgegen. Aus diesem Grund hat das Außenministerium in Übereinstimmung mit dem Verteidigungsministerium und der Kanzlei des Ministerpräsidenten beschlossen, Personal nach Italien zu entsenden, damit dieses einen zwar inoffiziellen, aber höchst realen Kontakt zu den Entführern herstellen kann. Wir wollen nach Möglichkeit erreichen, daß die beiden schwedischen Geiseln gegen ein eventuell gefordertes Lösegeld ausgetauscht werden. Swedish Ordnance hat die dazu notwendigen Geldmittel zur Verfügung gestellt. Die italienischen Behörden sind mit dieser Verfahrensweise einverstanden, obwohl auch für sie hier ein Konflikt mit den öffentlich vorgetragenen herkömmlichen Grundsätzen
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