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Unternehmen Vendetta

Unternehmen Vendetta

Titel: Unternehmen Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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sehr festen Händedruck, worauf er eine Zeitlang schwieg, als wollte er die Polizeiarbeit und das Persönliche trennen. Er wies mit einer stummen Geste auf das Sofa und setzte sich dann neben Carl.
    »Ich weiß, wie Ihnen zumute ist, Comandante. Ich weiß, wie das ist, ich habe selbst auf diese Weise vier Offizierskameraden verloren. Worte reichen da nicht aus, ich weiß das. Was kann ich für Sie tun? Sollten wir vielleicht mit den Formalitäten noch etwas warten? Wäre Ihnen das lieber?« sagte der Oberst langsam und ernst. Er wirkte vollkommen aufrichtig, aber die Gemächlichkeit des Tempos sah ihm doch nicht ähnlich.
    »Am liebsten möchte ich«, begann Carl, fühlte aber, daß die Stimme zu versagen drohte, so daß er noch einmal anfangen mußte. »Am liebsten möchte ich Hauptmann Lundwall schon heute nach Hause bringen, falls sich die Formalitäten beschleunigen lassen. Ich bin sein Chef gewesen. Ich habe nicht nur die Verantwortung dafür gehabt, darauf zu achten, daß… daß er von unserem Auftrag lebend zurückkehrt. Es fällt auch in meine Verantwortung, mit seiner Familie zu sprechen, und ich möchte das erledigen, bevor alles in den Zeitungen steht. Können wir das übrigens verhindern?«
    Oberst Da Piemonte schüttelte den Kopf und betrachtete Carl eine Weile mit ernster Miene, bevor er antwortete, als wollte er sich vergewissern, daß der blutverschmierte und irgendwie zusammengesunkene Kollege bei Verstand war und begriff.
    »Was die Presse angeht«, begann Da Piemonte langsam, »haben wir das Problem, in einer Demokratie zu leben. Nein, verzeihen Sie mir die Ironie. In sachlicher Hinsicht ist es so, daß die Nachricht morgen sowohl in L’Ora wie dem Giornale Di Sicilia gebracht werden wird. Die Zeitungen werden auch die Identität Hauptmann Lundwallos enthüllen. Diese Angaben erhalten sie aus dem Krankenhaus, was immer wir versuchen mögen, um es zu verhindern.«
    »Wie steht es mit meiner Identität?« unterbrach ihn Carl, ohne aufzublicken. Er starrte auf den Fußboden und folgte dem kunstvollen Sternenmuster der Parkettintarsien.
    »Was Sie betrifft, Comandante, erfahren die Zeitungen Ihren Namen vermutlich vom Hotel. Wir haben kaum eine Möglichkeit, das zu verhindern. Wollen Sie, daß wir es versuchen?«
    »Ja, sehr gern. Wenn mein Name in einem solchen Zusammenhang genannt wird, bedeutet das für alle Beteiligten Aufregung und Ärger. Ich hoffe, Sie verstehen mich nicht falsch…«
    »Nein, selbstverständlich nicht. Was Ihre übrigen Wünsche betrifft, können wir sofort einiges in Bewegung setzen. Ich habe großen Respekt vor Ihrem Wunsch, persönlich für den Kontakt mit den Angehörigen verantwortlich zu sein. Damit Sie Sizilien schon heute mit Ihrem Kameraden verlassen können, ja, Sie können uns glauben, daß wir uns wirklich Mühe geben werden, was also dazu erforderlich ist, ist folgendes, und zwar in dieser Reihenfolge: Die Identität des Toten und die Todesursache müssen festgestellt werden. Das schwedische Konsulat muß für den Transport sorgen, wie ich vermute, mit Ihrer freundlichen Hilfe, und außerdem müssen Sie vorher vernommen werden. Das Ergebnis der Vernehmung muß dem Staatsanwalt mitgeteilt werden. Sind Sie wirklich bereit, sich im Verlauf des Tages durch all das hindurchzuquälen?«
    »Ja, und ich würde es wirklich sehr zu schätzen wissen, wenn Sie mir dabei helfen«, erwiderte Carl, den Blick immer noch hartnäckig aufs Parkett geheftet.
    Oberst Da Piemonte erhob sich vorsichtig, als wollte er nicht unnötig Lärm machen, und schlich fast zu seinem Schreibtisch, wo er den Telefonhörer abnahm.
    Er führte drei Gespräche, doch Carl hörte nicht zu und versuchte auch gar nicht zu verstehen, worum es dabei ging. Das Blut an seinen Khakihosen war zu großen, dunkelbraunroten Flächen geworden, die fast an das Muster einer Wüsten-Tarnuniform erinnerten. Er erkannte, daß er einen seelischen Schock erlitten hatte und daß irgendwo im Kopf ein heftiger Kampf zwischen den Guten tobte, die alles verdecken und verdrängen und die Wirklichkeit unwirklich machen wollten, und den Bösen, die in Reih und Glied angetreten waren und ihn anbrüllten, er solle sich zusammennehmen und seinen Job zu Ende bringen.
    Kurz nachdem Oberst Da Piemonte sein drittes Telefonat beendet hatte, betrat ein jüngerer Offizier mit einem Tonbandgerät unter dem Arm den Raum.
    Sie zogen einen kleinen Tisch an das Sofa heran, auf dem Carl saß, der auf den Fußboden starrte, schlossen das

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