Unternehmen Wahnsinn
einer Rede über »Solitude and Leadership«. 91 Multitasking fördert das Denken also nicht. Es generiert Assoziationen und möglicherweise auch Ideen, aber – so merkt Deresiewicz weiter an: »I find for myself that my first thought is never my best thought. My first thought is always someone else’s; it is always what I’ve already heard about the subject, always the conventional wisdom.« Und er fährt fort: »It’s only by concentrating, sticking to the question, being patient, letting all the parts of my mind come into play, that I arrive at an original idea. By giving my brain a chance to make associations, draw connections, take me by surprise. And often even that idea doesn’t turn out to be very good. I need time to think about it, too, to take mistakes and recognize them, to make false starts and correct them, to outlast my impulses, to defeat my desire to declare the job done and move on to the next thing.«
Das hätte Marie de Gournay gefallen.
85 Gemeint ist die Begeisterung für die kollektive Intelligenz, ein emergentes Phänomen, das sich in bestimmten Naturphänomenen zeigt: Mag die einzelne Ameise möglicherweise minderbegabt sein, die Ameisenkolonie als Ganze ist hochintelligent. Vgl. James Surowiecki: Die Weisheit der Vielen . Goldmann 2005.
86 Zitiert nach Deresiewicz in seinem Interview in der Süddeutschen Zeitung vom 18. Februar 2010. Trillings Essay-Sammlung trägt den schönen Titel Die moralische Pflicht intelligent zu sein (Lionel Trilling: The moral obligation to be intelligent . Hg. von Leon Wieseltier. Farrar, Straus and Giroux 2001).
87 Rss = »Really Simple Syndication«, ein Informationsabonnement, das (wie ein Nachrichtenticker) den Adressaten über Aktualisierungen bestimmter Webseiten auf dem Laufenden hält.
88 Benjamin Barber in seinem Essay: Amerika, du hasst es besser . Die Demokratie ist in Gefahr, weil wir Meinung und Vorurteil an die Stelle von Wissenschaft und Vernunft gesetzt haben. In: Süddeutsche Zeitung vom 4./5. Dezember 2010.
89 Ebd.
90 In seiner Vorlesung aus dem Jahr 1937 Science and the Social Order . Und in einem Essay von 1942 Science and democratic social structure . In: Merton, Robert K.: Social Theory and Social Structure . Enlarged edition, The Free Press, Erste Auflage 1949, S. 604–615.
91 www.theamericanscholar.org/solitude-and-leadership/
Therapie 4: Wütend werden
Empfohlen wird u.a.: Wut nicht mit Ärger oder Empörung zu verwechseln; den Widerstandsweg zu gehen; den Unterbruch sehr ernst zu nehmen.
Nein
Nicht alles hat einen Sinn, nicht alles muss als Herausforde-
rung angenommen werden. Vieles ist sinnlos, etliches sogar wahnsinnig. Oder einfach nur Mist. »Und ich habe mir diesen stin-
kenden Mist nicht eingebrockt. Ich werde ihn auch nicht weg-
räumen!«
Wer nicht von Zeit zu Zeit den Verstand verliert, hat keinen zu verlieren, sagt man. Ein Wutausbruch ist so ein Verlust der Fassung, die der Verstand geformt hat. Die Wut verlässt das System der Ratio und ist vollkommen Emotio. Ein Computer dagegen hat keinen Verstand. Also verliert er auch keinen. Er wird nicht wütend, er rechnet weiter, auch wenn die Eingaben, die er zu verarbeiten hat, noch so grotesk sind. Das berührt ihn alles nicht, ihm machen die eigenen Abstürze nichts aus. Mag auch der Blackout am Monitor längst auf ein Ende jeder konstruktiven Lösungssuche hinweisen, der PC sortiert ungerührt und sogar schneller denn je die Nullen und Einsen nach dem traditionellen Muster seiner Algorithmen. Auch das Navigationsgerät im Auto gerät nie in Rage. Mit stoischer Geduld wiederholt es seine Vorschläge und bittet um Verständnis, »wenn möglich, bitte wenden …«.
Wer wütend wird, stört den Mechanismus, der aus jeder Situation – und sei sie noch so verfahren – immer und immer wieder das Beste zu machen versucht. Wer wütend ist, unterbricht die effiziente Mist-Umdeutungs-Maschinerie, die jeden Quatsch, jede Beleidigung, jedes Desaster zu einer Herausforderung erklärt und damit bearbeitbar macht im großen Leistungserbringungswettbewerb.
Wut ist nicht Ärger
Wut ist ein echter Unterbrecher 92 – und deshalb nicht zu verwechseln mit Ärger. Ärger ist ein Begleiter. Er ist wie das Jammern, ein hinkendes Hündchen, das alles kläffend oder jaulend kommentiert, aber gleichzeitig mit dem Schwanz wedelt und weiter humpelt, um den Anschluss ans Herrchen nicht zu verlieren. Ärger ist deutlich distanzierter, er bezieht sich in der Regel auf ein nicht
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