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Unternehmen Wahnsinn

Unternehmen Wahnsinn

Titel: Unternehmen Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theresia Volk
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gibt es zwei sich diametral und unversöhnlich gegenüberstehende Medien- und Meinungsmaschinerien: die rechtsgerichtete, allen voran das Fox-Imperium, ruft die Menschen zur Wiederherstellung der Ehre auf (»Restoring Honor«), die andere zur Wiederherstellung der Vernunft (»Restoring Sanity«). Letzteres scheint bitter nötig in Zeiten, da Figuren wie Glenn Beck – Gesicht und Stimme der Tea Party-Bewegung – aus Redaktionsräumen »war rooms« machen, von denen aus sie in den Kampf gegen »die Feinde Amerikas« ziehen. Wenn Sarah Palin, Ex- und vielleicht Bald-wieder-Präsidentschaftskandidatin der Republikaner, den Mund aufmacht, erwartet mittlerweile niemand mehr eine irgendwie abgesicherte, faktenbasierte relevante Information oder Botschaft, sondern nur mehr ihre Propaganda. Inzwischen – so klagt Benjamin Barber, 89 Politikwissenschaftler an der University of Maryland – seien aber Fakten auch weit über das Wirkungsfeld von Extrempolitikern und Erweckungsjournalisten hinaus in Verruf geraten. Die zivilisatorische Überzeugung, dass Wahrheit, Objektivität, Wissenschaft und Vernunft sich grundlegend unterscheiden von Meinung, Subjektivität, Vorurteil und Gefühl – diese Überzeugung weicht auf.
    Das wird man ja wohl noch sagen dürfen
    Zu Recht ist die ehemals unantastbare »Objektivität« der Naturwissenschaften vom Thron gestoßen worden. Aber auch wenn es vollkommene Erkenntnis von Wahrheit nicht gibt, schon gar nicht im Zeitalter der Relativitätstheorie und systemischen Mehrperspektivität, so gibt es doch gute und schlechte Argumente: Behauptungen nämlich, die durch empirische Daten verifiziert werden können oder die auf nachvollziehbaren Argumentationen beruhen. Und solche, die das nicht tun.
    Gang und gäbe ist heute jedoch, für jede Meinung Artenschutz einzuklagen (»das wird man ja noch sagen dürfen«), ungeachtet ihrer logischen Begründung. Oft verbitten sich die Meinungshaber sogar die Gegenrede. Wenn jemand der Meinung ist, die Konsistenz seiner Tomatensuppe sage etwas über die Kursentwicklung eines börsennotierten Unternehmens aus, und weiter behauptet, dieses Verfahren sei ebenso gut wie das irgendwelcher professionellen Analysten, dann wird damit ein normativer Anspruch gesetzt. Empirie spielt keine Rolle. Fatalerweise werden dann auch von den Analysten keine Belege mehr verlangt, lieber verabschiedet man sich ganz von der Vorstellung, dass eine Behauptung rechenschaftspflichtig sei. Jeder reißt sich im großen Steinbruch der Informationen und Informatiönchen die zu seiner Meinung passenden Brocken heraus und wirft sie nach dem
Gegner.
    Im politischen Geschäft ist diese Entwicklung sogar nachvollziehbar, geht es dort doch grundsätzlich um die Durchsetzung von Interessen. Koste es an Wahrheit, was es wolle.
    Erschreckenderweise sieht es aber im Wirtschaftskontext, ehemals als knochentrockene »rationale« Riesenrechenmaschine beleumundet, ähnlich aus. »Aufmunitionieren« nennt man das Sammeln oder Herstellen passender Fakten – passend zur bereits feststehenden Meinung –, mit dem Scharen von Mitarbeitern und Assistenten beauftragt werden, um den »Argumentations«-Showdown in der Vorstandssitzung zu überstehen. Es gewinnt derjenige, dessen Erfolgsstory die wenigsten Lücken hat. Womit diese gestopft oder geglättet wurden, scheint zweitrangig.
    »Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar«
    Das hat die begnadete Dichterin und Autorin Ingeborg Bachmann einmal vermeldet: Dahinter steckt dreierlei:
    1. Die Überzeugung, dass es eine Wahrheit außerhalb des eigenen Interesses überhaupt gibt; und dass man sich ihr zu stellen habe, auch wenn sie einem nicht passt. Dass es neben der subjektiven Wahrhaftigkeit (die eigene ehrliche Überzeugtheit) eben auch eine Art objektiver Wahrhaftigkeit gibt. Etwas, das außerhalb von mir existiert und bestimmte Eigenheiten aufweist, die es zu realisieren gilt.
    2. Dass der Mensch stabil genug ist, sich den Differenzen und der Spannung zu stellen, die entstehen, wenn externe oder »objektive« Gegebenheiten seinen Interessen zuwiderlaufen. Mitunter ist in den Unternehmen ein verschrobenes Mitgefühl mit Kolle-
gen zu beobachten, denen man etwas Bestimmtes nicht zumu-
ten könne, weswegen sie dann der Einfachheit halber angelogen
werden.
    Damit hängt 3. zusammen: Man darf getrost mit der Klugheit der Menschen rechnen. Die Strategie, dass sie sich auf Dauer vertrösten, anlügen oder für dumm verkaufen lassen, ist noch selten aufgegangen.

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