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Unterwegs im Namen des Herrn

Unterwegs im Namen des Herrn

Titel: Unterwegs im Namen des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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mich, und ich unterbreche Ingo: »Wie schnell merkt Ivica, dass wir weg sind?«
    »Nicht vor übermorgen.«
    »Und wenn er es jetzt merkt, glaubst du, der kommt uns hinterher?«
    »Kann schon sein. Und er wird uns auch einholen, so langsam, wie der Typ da fährt! Mein Gott, hier ist es so …«
    Ich blende alles aus. Ich bin gar nicht da. Ich, das ist nur meine Übelkeit und die Aussicht, von hier wegzukommen.

10. Kapitel
    Der Tennislehrer gesteht – Der heiligste Leib – Blasensprung – Das Gewitter – Schleifen über Graz – Der Schweizer – »Aux Armes!« – Wieder am Westbahnhof – Es gibt nur ein Unglück
     
    Am Flughafen hebt uns der Fahrer das Gepäck aus dem Kofferraum, gibt Ingo die Quittung und verabschiedet sich freundlich. Wir schleppen unser Gepäck zum Schalter, vor uns stehen fünfzig, sechzig Menschen. Mein zerrissenes Hemd ist so nass geschwitzt, dass ich es auswringen könnte. Ich besorge mir Servietten und wische meinen Oberkörper trocken, dann setze ich mich auf den Boden. Ich kann einfach nicht mehr.
    Ingo schiebt unser Gepäck Meter für Meter voran. Ich krieche hinterher, ohne mich um die Blicke der Menschen ringsum zu kümmern. Zwanzig Meter vor dem Schalter läutet mein Telefon. Es ist der Tennislehrer. Das muss ein Ende haben.
    »Ja, bitte«, sage ich.
    »Endlich erreich i di!«
    »Ja.«
    »Ois okay bei euch?«
    »Ja.«
    »Du, i wollt dir zwa Sachen sagen. Ich hob di zogen.«
    »Was?«
    »Jo! I hob di gezogen, wie wir Namen zogen haben ausdem Huat. Und i hätt für di betten sollen. Und i wollt dir sagen …«
    »Na los, sag schon!«
    »I wollt mi entschuldigen, i kann des net. I hab net bettet fia di, i hab gar net gwusst, was i da machen sollt. I glaub, i sollt dir das sagen.«
    »Und das zweite?«
    »Wos?«
    »Du hast doch gesagt, du willst mir zwei Sachen sagen.«
    »Ah so, jo.« Er lacht und druckst herum. »Du, sag … tätst du mir die Telefonnummer von deiner Schwester geben?«
    Ich starre auf den schmutzigen Boden, keinen Meter von meiner Nase entfernt. Direkt vor mir kleben sieben zertrampelte Kaugummis, säuberlich in einer Reihe angeordnet. Ingo klopft mir auf die Schulter, weil wir wieder ein Stück vorrücken können.
    »Die Nummer meiner Schwester?«
    »Wie heißts denn eigentlich? Net amal des weiß i!«
    »Wie heißt denn du eigentlich?«
    »I? I bin der Adolf! Adi sagens zu mir.«
    Irgendwo habe ich einen Travelgum gefunden, den ich mir mit zitternden Händen in den Mund stecke.
    »Adi, ich darf ihre Nummer nicht hergeben, ohne sie zu fragen, das verstehst du, oder?«
    Er ist enttäuscht, doch als ich ihm verspreche, ihn bald zurückzurufen, gibt er sich zufrieden. Ich lege auf und dämmere dem Schalter entgegen. Irgendwann ist es so weit, und Ingo erledigt alles. Ich mische mich nur ein, als es um die Platzvergabe geht, weil ich einen Sitz am Gang und weit vorne brauche, und den bekomme ich auch. Eingekeilt und weit hinten, das wäre in diesem Zustand mein Ende.
    Durch die Securityschleuse kommen wir schneller. Ich habe fest damit gerechnet, sie würden uns gründlich filzen, denn ich bin es schon gewöhnt, dass die sogenannten Stichprobenkontrollen immer an mir vollzogen werden, was ganz klar darauf hindeutet, dass die Flughafenpolizei in Wahrheit profiling betreibt und es nur nicht zugeben will. Sie winken uns jedoch trotz meines ramponierten Gesichts anstandslos durch, worüber ich erleichtert bin, nicht nur wegen meiner Erschöpfung, sondern auch wegen Ingo, der sich immer wilder gebärdet und sogar über die Uniformen der Polizisten schimpft.
    Die Abflughalle ist voller Menschen. So ein Getümmel habe ich lange nicht gesehen. Wir müssen uns mit Gewalt unseren Weg bahnen. Kinder brüllen, Erwachsene streiten sich, vor mir hat ein altes Ehepaar einander verloren, beide rufen hektisch den Namen des anderen und fuchteln entsetzt mit den Armen. Angesichts dieser Überfüllung verstehe ich, dass es so oft zu Massenpaniken kommt.
    »Siehst du, die wollen auch alle weg«, zieht Ingo sein Fazit. »Sehr verständlich.«
    An der einzigen Bar ist Selbstbedienung. Ich reihe mich in eine Schlange von mehr als zwanzig Leuten ein. Ingo verschwindet im Duty-Free-Shop. Mein Telefon läutet, es ist Tomy. Ich lasse es läuten. Ich habe wieder Fieber, ich kann nicht mehr reden, ich will bloß noch in diese Maschine steigen, auch wenn ich Angst habe abzustürzen.
    Die Antibiotika fallen mir ein. Ich suche sie in meiner Handtasche, finde jedoch nur Unmengen von Broschüren aus

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