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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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Rolle, denn es war noch nicht lange her, dass Kaiser Napoleon III. seine Soldaten nach Mexiko geschickt hatte, um dort eine Monarchie zu installieren. Der Übergriff war letztlich mit dem Ziel erfolgt, die monarchische Herrschaftsform auf dem amerikanischen Kontinent wieder hoffähig zu machen und Frankreich in Amerika wieder Fuß fassen zu lassen.
    Das Unternehmen widersprach gleichwohl ganz und gar der sogenannten »Monroe-Doktrin«von 1823, in der US -Präsident James Monroe ein für alle Mal festgeschrieben hatte, dass jeder Einmischungsversuch der »Alten Welt«, wie Europa seit damals genannt wird, in gesamtamerikanische Belange abgewehrt werden würde.
    Napoleons mexikanischer Statthalter Kaiser Maximilian I. blieb denn auch nur deswegen zunächst ungeschoren, weil die Franzosen geschickt die Gunst der Stunde genutzt hatten: Bis Mitte der Sechzigerjahre befand sich US -Amerika nämlich im Bürgerkrieg und konnte sich um das »Problem Mexiko« gar nicht kümmern. Doch mit Ende des Krieges 1865 forderten die USA sofort den Abzug der französischen Truppen, was unter diesem Druck dann auch geschah. Mit der Entmachtung und Hinrichtung Maximilians 1867 endete dieses Kapitel missglückter französischer Intervention reichlich dramatisch und bescherte Napoleon III. einen beträchtlichen Imageverlust. Als ihn dann vier Jahre später auch noch die Preußen im Verlauf des Deutsch-Französischen Krieges bei Sedan gefangen nahmen, war es mit seiner Kaiserherrlichkeit endgültig vorbei, und Frankreich entschied sich im September 1870, wieder Republik zu werden.
    Insofern mag die Freiheitsstatue hauptsächlich eine Art Selbstvergewisserung der noch taufrischen Dritten Französischen Republik gewesen sein. Deren republikanische Liberté , Egalité und Fraternité standen in dieser unruhigen Zeit auf weit unsichereren Beinen als die gefestigte Republik der USA , zumal damals auf dem europäischen Kontinent außer San Marino und der Schweiz kein Staatswesen auf eine republikanische Verfassung setzte.
    Der Krieg mit Preußen hatte nationale Leidenschaften geweckt, die in der Folge dazu führten, dass der schwelende Konflikt zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft erneut mit großer Heftigkeit aufbrach. Der Aufstand der Kommune , einer von sozialistischen Arbeitern gewählten Pariser Gemeindevertretung, wurde von französischen Regierungstruppen blutig niedergerungen, wobei es mehr Tote gegeben haben soll als während der ganzen Französischen Revolution. In einer so chaotischen und unsicheren Situation war die Umarmungsgeste Frankreichs in Richtung Amerika doch eher so etwas wie der Versuch, durch Anbändelung mit gestandenen Republikanern sich selbst zu stärken.
    Wenn Sie das bedenken, während Sie die enge Wendeltreppe im Inneren der Statue bis zur Sonnenkrone hinaufklimmen, verstehen Sie vielleicht die latente Skepsis der Amerikaner gegenüber europäischen Freundschaftsgesten aller Art. Und diese Skepsis war denn wohl schon damals der eigentliche Grund dafür, warum es den amerikanischen Politikern nur unter großen Mühen gelang, bei ihren Bürgern die Spenden lockerzumachen, die notwendig waren, um den Fünfzig-Meter-Sockel der Statue aus 8000 Tonnen Wiesbadener Portlandzement zu finanzieren. Denn den sollten die Amerikaner auch noch selbst bezahlen.
    Wenn Sie darüber hinaus bedenken, dass Bartholdis Entwurf bereits zu Zeiten des französischen Kaiserreichs entstand, nämlich schon 1869, und sein Werk ursprünglich für den Eingang des neu eröffneten Suez-Kanals gedacht war, dann müssen Sie es wirklich einer freundlichen Geschichtsvergessenheit zurechnen, wenn diese französische Statue heute als eines der stärksten Symbole Amerikas gilt und beinahe auf gleicher ideologischer Höhe wie das amerikanische Sternenbanner rangiert.
    Dabei haben die Franzosen den Amerikanern doch ein viel wichtigeres Geschenk gemacht, von dem Sie wahrscheinlich kaum einmal gehört haben! Und dieser sogenannte Louisiana Purchase hat sich auf die Entwicklung der USA viel entscheidender ausgewirkt als alles andere. Im Lichte der Historie betrachtet war es aber auch hier das Eigeninteresse Frankreichs, das diesen größten Grundstückskauf aller Zeiten ermöglicht hat. Im Ergebnis kam dieser Handel für Amerika einem Lotto-Sechser gleich. Kein Geringerer als Napoleon I. war es, der im Jahr 1803 durch den billigen

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