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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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und Philosophie, um schließlich bei der Rheinischen Zeitung in Köln als Journalist zu arbeiten. Doch die Zensur in den restaurativen, rückwärtsgewandten 1840er-Jahren treibt ihn in die Emigration. Zuerst nach Paris, wo er den Fabrikantensohn Friedrich Engels (1820 –1895) kennenlernt, jenen vermögenden Mitstreiter, der ihn zeitlebens finanziell unterstützen wird und der selbst ein aufrüttelndes Buch über das Arbeiterelend in England verfasst hat. Anschließend nach Brüssel, von wo er, als 1848 die französische Februarrevolution ganz Europa erschüttert, ausgewiesen wird. Marx reist als Berufsrevolutionär, wird zuletzt von der preußischen Regierung für staatenlos erklärt und ausgewiesen, emigriert erneut nach Paris und wird auch dort mit Verhaftung bedroht. Mit seiner Frau und seiner großen Kinderschar (von seinen sieben Kindern überleben ihn allerdings nur drei Töchter) bleibt ihm nur noch das Exil in London, wo er bis zu seinem Tode 1883 unter oft dürftigen Verhältnissen lebt.
    Gemeinsam verfassen Marx und Engels im Revolutionsjahr 1848 eine 23-seitige Flugschrift, die in deutscher Sprache in London gedruckt wird und die heute zu den berühmtesten Schriftzeugnissen der Weltgeschichte zählt: das »Manifest der Kommunistischen Partei«.
    Die Kommunisten, so heißt es unverblümt im letzten Absatz der Schrift, »erklären es offen, dass ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung. Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. Proletarier aller Länder, vereinigt euch!«
    Können wir uns heute die radikale Umsturzbegeisterung dieser Zeit annähernd vorstellen? Wohl kaum. Denn den Menschen des 19. Jahrhunderts fehlt unsere relativierende Erfahrung der späteren politischen Katastrophen. Sie sind ganz anders als wir. Von brutaler Technisierung und furchtbarer Vermassung des Mordens ahnen sie noch nichts. Das Grauen von Auschwitz und der Albtraum der Atombombe sind ihnen noch unvorstellbar. Der »Weltenbrand « ist in dieser Zeit immer noch reine Philosophie, mehr geistige Attitüde als wirkliche Tat. Und die Vorstellung vom Endkampf, vom endgültig »letzten Gefecht«, zu dem in der »Internationalen« aufgerufen wird, hat für die Menschen dieser Epoche noch keineswegs etwas Lächerliches. Es ist die Zeit, da sogar ein Schöngeist wie Richard Wagner, der in seiner Musik stets den Untergang als ästhetisches Erlebnis beschwört, beim Eisengießer Oehme in Dresden hundert Handgranaten bestellt. Es ist die Zeit, wo mit Pathos alles Alte »hinweggefegt« werden soll und »Gott tot ist«, wie der Altphilologe und Dichter-Philosoph Friedrich Nietzsche (1844 –1900) kompromisslos behauptet. Aber noch nichts ist passiert. Eine Epoche, die fast hysterisch zwischen düsterer Endzeitfantasie und krassem Zukunftsoptimismus pendelt. In der alles »total« ist oder werden soll: das unüberbietbare »Gesamtkunstwerk« eines Richard Wagners ebenso wie das »letzte Gefecht« der Kommunisten, das unverbrüchliche Gottesgnadentum adliger Herrscher oder die idealistische Philosophie eines Hegel, die den krassen Anspruch erhebt, das Weltganze in all seinen Aspekten vollständig zu erfassen.
    Die ungelöste soziale Frage des Vierten Standes hatte zunächst in Frankreich die Februarrevolution von 1848 ausgelöst. Die Ideenlosigkeit einer rückwärtsgewandten Politik hatte Philosophen und intellektuelle Revolutionäre auf den Plan gerufen. In der allgemeinen Unzufriedenheit gelang der Schulterschluss zwischen Volk, Intelligenz und Bürgertum, und zum ersten Mal in der Geschichte saßen in Frankreich Sozialisten in der Regierung. Aber nur kurz. Denn nun wuchsen wieder die Spannungen zwischen Arbeitern und Bürgern, die Ordnung herbeisehnten und sich vor der »roten Gefahr« zu fürchten begannen. So kam es, dass man erneut Altbewährtes suchte. Und das hatte in Frankreich immer noch den gleichen Namen: Napoleon!
    Â»Napoleon« klang in vielen Ohren immer noch wie das Qualitätsversprechen schlechthin. Louis-Napoléon, ein Neffe des Kaisers, nutzte die Gunst der Stunde und ließ sich zum Präsidenten der Zweiten Republik wählen. Beim Volk beliebt, gelang ihm 1851

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