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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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Verkauf Louisianas die Sympathie der Amerikaner im Kampf gegen England zu erwerben hoffte. Darüber hinaus hoffte er natürlich mit dem schnellen Deal seine Kriegskasse zu füllen. Denn die Zeit drängte: Napoleons Attacke auf ganz Europa stand unmittelbar bevor. Für den Schleuderpreis von nur 15 Millionen Dollar, was heute in etwa der Kaufkraft von 300 Millionen entspricht, konnten die US -Amerikaner die Größe ihres Territoriums mit einer einzigen Vertragsunterschrift verdoppeln. Denn damals umfasste das französische Louisiana die gesamte Mitte der heutigen USA , vom Golf von Mexiko bis nach Kanada, vom Mississippi-Fluss bis zu den Rocky Mountains. Der Süden und Westen, zu Mexiko gehörig, wurden 1845 okkupiert.
    Dieses günstigste Schnäppchen der Weltgeschichte zeigt, wie relativ unbedeutend noch vor 200 Jahren uns Europäern Amerika erschien. Dass sich hier der Keim zu einer neuen weltbeherrschenden Supermacht entfaltete, hatte noch keiner unserer Vorfahren auf der Rechnung. Napoleon setzte auf seinen Russlandfeldzug. Dass ein »Go West« möglicherweise zukunftsträchtiger gewesen wäre als sein »Go East«, wäre ihm nicht im Traum eingefallen.
    Wie wenig wusste man seinerzeit über dieses Land. Und wie wenig wissen wir selbst heute über die Frühzeit Amerikas, bevor die ersten weißen Siedler amerikanischen Boden betraten. Während ältere Geschichtsbücher die Zahl der indianischen Ureinwohner auf wenige Hunderttausend schätzen, haben Historiker diese Zahl inzwischen deutlich nach oben korrigiert. Dennoch gehen die Schätzungen absurd weit auseinander und belegen die Geschichtsvergessenheit einer Kultur, die von Anbeginn auf Gegenwart und Zukunft setzte: Von drei bis zwölf Millionen Indianern, die dem Druck der Siedler weichen mussten, ist heute vage die Rede.
    Gegenwartsorientierung war von Anfang an ein charakteristisches Merkmal der Besiedlungspolitik Amerikas. Blicke nie zurück; Go on! – das ist das Wort, das Sie vielleicht am häufigsten in Amerika hören. Das Land selbst war es, das den Pionieren des Westens seinen Stempel aufdrückte und sie zwang, den Blick stets auf das Nächstliegende zu richten. Zähigkeit, die Fähigkeit anzupacken, die Bereitschaft, Fehlschläge abzuschütteln und immer wieder aufzustehen, trotz Lebensgefahr es gleich noch einmal zu versuchen – diese Tugenden drängten zunächst jedes Hierarchiedenken, jedes althergebrachte Kulturinteresse und jede philosophische Reflexion, wie wir Europäer sie so gewohnt sind, in den Hintergrund. Angesichts der Herausforderungen war pragmatisches Handeln und Denken gefragt. Die Menschen, die hier anlandeten, hatten bewusst mit ihrem alten Leben gebrochen, waren politisch Enttäuschte, religiös Verfolgte, wirtschaftlich Notleidende. Ihrer alten Heimat weinten sie kaum eine Träne nach. Im völligen Neubeginn sahen sie ihre größte und vielleicht letzte Chance. Oder es waren Abenteurer, windige Geschäftemacher, die ganz bewusst die alten Bindungen gekappt hatten. Nicht selten auch Glücksritter, die zuhauf dem Lockruf des Goldes folgten, nachdem der Bauarbeiter James Marshall 1848 in einem Seitenarm des American River ein paar Goldnuggets gefunden hatte. Im Zuge des Kalifornischen Goldrauschs zogen Hunderttausende Richtung Westküste. Die Bevölkerung von San Francisco wuchs allein 1849 um das 25-fache. Alles war hier Gegenwart.
    Entsprechend pragmatisch war auch die Politik. Bereits 1829 wurde mit Andrew Jackson ein einfacher Kleinbürger US -Präsident, der nur eine dürftige Erziehung genossen hatte, von dem aber der wichtige Impuls zur Gründung der Demokratischen Partei ausging. 1854 dann schufen die Republikaner mit ihrer Parteigründung ein Gegengewicht, das bis heute die politische Zwei-Parteien-Landschaft der USA prägt.
    Der größte Konflikt, den dieses Land zu bewältigen hatte, entstand dort, wo Landschaft und Klima ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hatten: der Konflikt zwischen Nord- und Südstaaten. Der Lebensstil, der sich in diesen beiden Welten ganz unterschiedlich ausprägte, war kein Ergebnis importierter Traditionen, sondern eine Folge der Naturgesetze: Während im heißen Süden riesige Plantagen für Tabak und Baumwolle entstanden, die von hitzeempfindlichen Europäern zwar zu verwalten, aber kaum in eigener Feldarbeit zu bewirtschaften waren, entstand im

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