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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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Nachmittags gingen Dean und ich in die Stadt, um unsere verschiedenen Dinge zu erledigen und in der Mitfahrerzentrale nach einem Wagen nach New York zu fragen. Am späten Nachmittag machten wir uns auf den Weg zu Frankie, den Broadway entlang, wo Dean plötzlich in ein Sportgeschäft schlenderte, seelenruhig einen Softball von der Ladentheke nahm und wieder herauskam, den Ball auf der flachen Hand jonglierend. Niemand bemerkte es; solche Sachen werden nie bemerkt. Es war ein heißer, schläfriger Nachmittag. Im Gehen spielten wir Fangball. «Morgen finden wir bestimmt eine Mitfahrgelegenheit.»
    Eine mir befreundete Frau hatte mir eine Literflasche Old Granddad-Bourbon geschenkt. Wir fingen bei Frankie an zu trinken. Hinter dem Maisfeld beim Haus wohnte ein hübsches junges Mädchen, das Dean herumzukriegen versuchte, seit wir angekommen waren. Ärger lag in der Luft. Allzu oft hatte er Steinchen an ihr Fenster geworfen und sie erschreckt. Und während wir in dem unaufgeräumten Wohnzimmer saßen, zwischen all den Hunden und den herumliegenden Spielsachen, und plaudernd den Bourbon tranken, lief Dean immer wieder zur Küchentür hinaus und quer über das Maisfeld, um Steinchen zu werfen und vor dem Fenster zu pfeifen. Manchmal ging Janet hinaus und spähte hinüber. Plötzlich kam Dean schreckensbleich zurück. «Ärger, alter Freund. Die Mutter der Kleinen ist mit der Schrotflinte hinter mir her, sie hat ein paar Schüler aus der Nachbarschaft zusammengetrommelt, die mich verdreschen sollen.»
    «Was? Wie? Wo sind sie?»
    «Hinter dem Maisfeld, alter Freund.» Dean war betrunken, ihm war alles egal. Wir gingen zusammen im Mondschein über das Maisfeld. Auf der dunklen Schotterstraße am anderen Ende sah ich Menschen in Grüppchen beisammenstehen.
    «Sie kommen!», hörte ich.
    «Moment mal», sagte ich. «Worum geht es, bitte?»
    Die Mutter lauerte etwas abseits, mit einer langen Schrotflinte im Arm. «Dein Freund, der verdammte Kerl, hat uns lange genug belästigt. Ich bin nicht die Frau, die gleich die Polizei ruft. Falls er sich noch einmal blickenlässt, werde ich schießen – und zwar scharf schießen.» Die Schuljungen, die dabeistanden, ballten die Fäuste. Ich war so betrunken, dass auch mir schon alles egal war, aber ich konnte die Leute etwas beruhigen.
    Ich sagte: «Er tut es nicht wieder. Ich passe auf, er ist mein Bruder und hört auf mich. Bitte, tun Sie die Waffe weg, und machen Sie sich keine Sorgen.»
    «Noch ein einziges Mal!», sagte sie grimmig und fest entschlossen aus der Dunkelheit. «Wenn mein Mann nach Hause kommt, schicke ich ihn rüber.»
    «Das ist gar nicht nötig; er wird Sie nicht mehr belästigen, verstehen Sie? Beruhigen Sie sich, es ist alles okay.» Dean hinter mir fluchte leise vor sich hin. Das Mädchen spähte aus dem Fenster. Ich kannte die Leute von früher, sie hatten ein gewisses Vertrauen zu mir und beruhigten sich. Ich nahm Dean am Arm, und wir gingen zurück durch den mondhellen Mais.
    «Yippiiie!», brüllte er. «Heute Abend besaufe ich mich.» Wir gingen wieder zu Frankie und den Kindern hinein. Irgendwann ärgerte sich Dean über eine Schallplatte, die die kleine Janet gerade aufgelegt hatte, und zerbrach sie über seinem Knie: es war eine Hillbilly-Platte. Unter den Platten war eine frühe Dizzy-Gillespie-Aufnahme, die Dean sehr schätzte, «Congo Blues», mit Max West am Schlagzeug. Ich hatte sie Janet irgendwann mal geschenkt, und als sie jetzt weinte, sagte ich zu ihr, sie solle sie nehmen und Dean über den Kopf hauen. Sie ging hinüber und tat es. Dean guckte dumm und kapierte. Wir alle lachten. Alles war wieder in Ordnung. Dann wollte Frankie-Mama ausgehen und in der Kneipe an der Straße Bier trinken. «Los, gehen wir!», schrie Dean. «Oh, verdammt, hättest du den Wagen gekauft, den ich dir Donnerstag gezeigt hab, müssten wir jetzt nicht zu Fuß laufen.»
    «Aber ich mochte die verdammte Karre nicht!», schrie Frankie zurück. Rah-rah, fingen die Kinder an zu jammern. Dichte, mottige Ewigkeit brütete in dem verrückten braunen Wohnzimmer mit der trostlosen Tapete, der pinkroten Lampe, den erregten Gesichtern. Der kleine Jimmy hatte Angst; ich legte ihn zum Schlafen auf die Couch und band den Hund bei ihm an. Frankie war blau und rief ein Taxi, und plötzlich, während wir warteten, kam ein Anruf für mich, von der Frau, mit der ich befreundet war. Sie hatte einen Cousin mittleren Alters, der mich hasste wie die Pest, und ein paar Stunden zuvor, an diesem

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