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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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Nachmittag, hatte ich einen Brief an Old Bull Lee geschrieben, der gerade in Mexico City war, und ihm von unseren Abenteuern erzählt und von den Umständen, unter denen Dean und ich uns in Denver aufhielten. Ich schrieb: «Ich habe eine Freundin, die mir Whisky und Geld gibt und mich zu tollen Suppers einlädt.»
    Dummerweise hatte ich diesen Brief ihrem Cousin mittleren Alters gegeben, mit der Bitte, ihn einzustecken, und zwar unmittelbar nach so einem Supper mit Brathühnern. Er öffnete ihn, las ihn und nahm, was ich geschrieben hatte, gleich als Beweis dafür, dass ich ein Schnorrer sei. Nun rief die Frau mich unter Tränen an und sagte, sie wolle mich niemals wiedersehen. Dann kam der triumphierende Cousin ans Telefon und nannte mich einen Dreckskerl. Während draußen das Taxi hupte und drinnen die Kinder heulten und die Hunde kläfften und Dean mit Frankie umhertanzte, brüllte ich alle Flüche, die mir einfielen, ins Telefon, dazu ein paar neu erfundene, und in meiner besoffenen Raserei forderte ich alle per Telefon auf, zur Hölle zu gehen, ehe ich den Hörer aufknallte und loszog, um mich zu besaufen.
    Beim Aussteigen aus dem Taxi purzelten wir vor der Kneipe alle durcheinander. Es war ein hinterwäldlerisches Rasthaus am Fuß der Berge, und wir gingen hinein und bestellten Bier. Alles brach plötzlich zusammen, und um die Dinge noch unvorstellbar viel verrückter zu machen, war dort ein ekstatischer Spastiker an der Bar, der die Arme um Dean warf und ihm ins Gesicht stöhnte, und Dean rastete wieder aus, er schwitzte vor Wahnsinn, und um das unerträgliche Durcheinander noch schlimmer zu machen, stürzte Dean im nächsten Moment hinaus und knackte direkt in der Einfahrt ein Auto und sauste damit nach Denver downtown und kam mit einem neueren, besseren wieder. Plötzlich blickte ich in der Kneipe auf und sah, dass Polizisten und Neugierige im Scheinwerferlicht der Streifenwagen in der Einfahrt durcheinanderwirbelten und über das gestohlene Auto redeten. «Jemand klaut hier ohne Ende Autos», sagte der eine Cop gerade. Dean stand direkt hinter ihm, spitzte die Ohren und sagte: «Ah, ja. Ah, ja.» Die Cops gingen raus, um alles zu untersuchen. Dean kam in die Bar und rockte mit dem armen spastischen Jungen, der gerade an diesem Tag geheiratet hatte und sich riesig einen ansoff, während die Braut irgendwo wartete. «O Mann, dieser Typ ist absolut das Größte in der Welt», schrie Dean. «Sal, Frankie, ich gehe jetzt und hole wieder ein Auto, diesmal ein wirklich gutes, und dann fahren wir los, und Tony» (der heilige Spastiker) «soll auch mitkommen.» Er stürzte hinaus. Gleichzeitig kam ein Cop hereingelaufen und sagte, ein in der Innenstadt gestohlener Wagen sei in der Einfahrt geparkt. Darüber diskutierten die in dicken Trauben stehenden Leute. Durchs Fenster sah ich Dean ins nächstbeste Auto springen und davonbrausen, und keine Seele bemerkte ihn. Ein paar Minuten später war er wieder da, mit einem völlig anderen Wagen, einem brandneuen Cabriolet. «Das ist ein richtiges Prachtstück!», flüsterte er mir ins Ohr. «Der andere hat zu sehr gestottert – ich habe ihn an der Kreuzung stehen lassen, als ich dieses schöne Stück vor einem Farmhaus parken sah. Hab eine Runde durch Denver gedreht. Komm, Mann, steigen wir alle ein.» Bitterkeit und Verrücktheit seiner ganzen Jahre in Denver schossen wie Dolche aus seinen Adern. Sein Gesicht war rot verschwitzt und böse.
    «Nein, mit gestohlenen Autos will ich nichts zu tun haben.»
    «Ah, komm schon, Mann! Tony fährt mit, nicht wahr, Tony, du wundersamer Schatz?» Und Tony, diese spindeldürre, dunkelhaarige, stöhnende und schäumende, verlorene Seele mit dem heiligen Blick in den Augen, lehnte sich wieder an Dean und ächzte und ächzte, denn ihm war plötzlich schlecht geworden, und da, aus einer sonderbaren intuitiven Ahnung heraus, bekam er Angst vor Dean und warf die Hände hoch und wandte sich ab, nacktes Entsetzen in seinem verzerrten Gesicht. Dean senkte den Kopf und schwitzte. Er lief hinaus und fuhr weg. Frankie und ich fanden vor dem Haus ein Taxi und beschlossen nach Hause zu fahren. Während der Taxifahrer mit uns den stockdunklen Alameda Boulevard hinauffuhr, wo ich in den vergangenen Sommermonaten so manche verlorene Nacht dahingepilgert war, singend und seufzend und die Sterne in mich aufsaugend, Tropfen für Tropfen das Blut meines Herzens auf dem heißen Asphalt verspritzend, fuhr Dean mit dem gestohlenen Cabrio hinter uns auf und

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