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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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Stunden vertrödelt.» Die College-Boys bedankten sich wohlerzogen bei den Walls, und wir fuhren wieder davon. Ich drehte mich um und sah das Küchenlicht im dunklen Meer der Nacht versinken. Dann blickte ich wieder nach vorn.

neun
    Im Nu waren wir wieder auf dem Highway, und in dieser Nacht sah ich, wie sich der ganze Staat Nebraska vor mir entrollte. Mit gut hundertsiebzig Stundenkilometern ging’s dahin, eine pfeilgerade Straße, schlafende Kleinstädte, kein Verkehr, und der Schnellzug der Union-Pacific -Linieblieb hinter uns im hellen Mondschein zurück. Ich war völlig unbesorgt in dieser Nacht; hundertsiebzig in der Stunde, das war durchaus in Ordnung, wir redeten und sahen die Städte Nebraskas wie im Traum vorbeifliegen – Ogallala, Gothenburg, Kearney, Grand Island, Columbus. Es war ein phantastisches Auto, es lag auf der Straße wie ein Boot im Wasser. Singend glitt es mühelos durch die Kurven.
    «Mann, was für ein Traumboot», seufzte Dean. «Denk nur, was wir machen könnten, wenn wir so ein Auto hätten. Weißt du, dass es eine Straße gibt, die quer durch Mexiko und weiter bis nach Panama geht? Und noch weiter bis ans Ende Südamerikas, wo die Indianer zwei Meter groß sind und in den Bergen Koka kauen? Ja! Du und ich, Sal, wir würden mit so einem Auto uns die ganze Welt ansehen, Mann, jede Straße muss schließlich und endlich in die ganze Welt führen, wohin sonst, nicht wahr? Oh, wenn wir mit diesem Ding erst durchs alte Chi rollen! Stell dir vor, Sal, ich bin noch nie im Leben in Chicago gewesen, nie durchgekommen.»
    «Wie die Gangster werden wir mit diesem Cadillac in die Stadt einfahren!»
    «Ja! Und Mädchen! Wir könnten jede Menge Mädchen abschleppen, Sal. Ich habe beschlossen, die Strecke in einer extrasuperschnellen Zeit zu schaffen, damit uns ein ganzer Abend bleibt, um mit dem Wagen spazieren zu fahren. Ruh du dich nur aus, und ich drücke aufs Gas, bis wir ankommen.»
    «Hm, wie schnell fährst du jetzt?»
    «Gleichmäßige Hundertsiebzig, schätze ich, man merkt es gar nicht. Iowa werden wir noch bei Tageslicht sehen, und dann schaffe ich in null Komma nichts das gute alte Illinois.» Die Boys waren eingeschlafen, wir redeten und redeten die ganze Nacht.
    Es war bemerkenswert, wie Dean ausflippen und gleich darauf wieder ganz ruhig und vernünftig, als wäre nichts gewesen, weitererzählen konnte, mit ganzer Seele – von der ich mir denke, dass sie in einem schnellen Auto, an einer Küste, die zu erreichen ist, und bei einer Frau am Ende der Straße geborgen ist. «So geht’s mir jetzt jedes Mal in Denver – ich packe die Stadt nicht mehr. Baller-baller, Dean, der Knaller – wumm!» Ich erzählte ihm, dass ich auf dieser Straße schon einmal durch Nebraska gefahren war, ’47. Er auch, sagte er. «Sal, ich hatte Arbeit gefunden in Los Angeles, in dieser New Era Laundry, dieser Großwäscherei, neunzehnvierundvierzig, natürlich mit gefälschtem Geburtsdatum in meinen Papieren, und da hab ich einmal einen Trip zum Rennen in Indianapolis gemacht, extra um mir das klassische Rennen am Memorial Day anzusehen, tagsüber bin ich getrampt und nachts habe ich mir Autos geklaut, um es rechtzeitig zu schaffen. Natürlich hatte ich in L. A. ein Auto, ’nen alten Buick für zwanzig Dollar, kriegte ihn aber nicht durch die Brems- und Lichtinspektion, und so wollte ich mir Nummernschilder aus einem anderen Staat holen, um den Wagen zu fahren, ohne gleich verhaftet zu werden, und hier habe ich mir die Schilder besorgt. Ich wanderte also durch eine von diesen Städten hier, unter der Jacke die frischabgeschraubten Nummernschilder, als mich ein neugieriger Sheriff, der meinte, ich wäre zu jung zum Trampen, auf der Hauptstraße anhielt. Natürlich fand er die Schilder und steckte mich in das Zwei-Zellen-Gefängnis, zu einem Knacki aus dem Bezirk, der besser im Altersheim aufgehoben gewesen wäre, weil er nicht mehr ohne Hilfe essen konnte (die Frau des Sheriffs fütterte ihn) und den ganzen Tag sabbernd und schlabbernd dasaß. Nach einem sentimentalen Verhör, erst väterlich gütiges Quiz, dann plötzlich Kehrtwendung, um mich mit Drohungen einzuschüchtern, einem Handschriftenvergleich et cetera, und nach der großartigsten Rede, die ich in meinem Leben gehalten habe, nur um da rauszukommen, und die in dem Geständnis gipfelte, ich hätte die ganze Latte meiner Straftaten als Autoknacker nur zusammengelogen, in Wirklichkeit sei ich auf der Suche nach meinem Papa, der hier in der Gegend

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