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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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aber du weißt ja, was er in Wirklichkeit machen wird.»
    «Er ist also nach Seattle gegangen?»
    «Und direkt in den miesesten Knast.»
    «Wo hat er so lange gesteckt?»
    «Texas, Texas … Du siehst also, Mann, meine Seele, der Stand der Dinge, meine Lage – du hast gemerkt, ich werde ruhiger.»
    «Ja, das stimmt.» In New York war Dean ruhiger geworden. Er wollte reden. Wir standen im kalten Regen und froren uns zu Tode. Wir verabredeten, dass wir uns vor meiner Abreise im Haus meiner Tante treffen würden.
    Am darauffolgenden Sonntagnachmittag kam er. Ich hatte ein Fernsehgerät. Wir sahen uns ein Ballspiel im Fernsehen an und hörten uns gleichzeitig ein anderes im Radio an und schalteten immer wieder auf ein Drittes um und verfolgten so, was jeden Moment vor sich ging. «Bedenke, Sal, Hodges steht für Brooklyn auf der zweiten Base, und während für die Phillies der Ersatz-Pitcher einläuft, schalten wir zu den Giants in Boston um und halten gleichzeitig fest, dass DiMaggio drei Bälle Count hat und der Pitcher an seinem Handschuh herumfummelt, sodass wir schnell rausfinden können, was vorhin mit Bobby Thomson los war, als wir ihn vor dreißig Sekunden mit einem Mann auf der dritten Base verlassen haben.»
    Am späten Nachmittag gingen wir hinaus und spielten Baseball mit den Jungen auf dem verrußten Platz hinter dem Rangierbahnhof von Long Island. Wir spielten auch Basketball und spielten so wild, dass die Jungen sagten: «Immer mit der Ruhe, ihr bringt euch ja um.» Sie dribbelten einfach um uns herum und spielten uns lässig aus. Dean und ich schwitzten. Irgendwann fiel Dean voll aufs Gesicht, auf dem Betonplatz. Wir keuchten und schnauften, um den Jungs den Ball abzunehmen; sie drehten ab und gaben ihn einfach weiter. Andere kamen angestürmt und schossen eben über unsere Köpfe hinweg. Wir sprangen wie zwei Verrückte nach dem Korb, und die Kleinen schnappten sich den Ball aus unseren verschwitzten Händen und dribbelten davon. Wir führten uns auf wie ein heißer schwarzer Tenorsaxophonist aus der Welt des wilden amerikanischen Hinterhofjazz, der gegen Stan Getz und Cool Charlie Basketball spielen will. Die Jungs dachten, wir spinnen. Als wir nach Hause gingen, warfen Dean und ich uns quer über die Straße den Ball zu. Wir fingen die krummsten Würfe, hechteten über Büsche und wären mehrmals um ein Haar gegen einen Laternenpfahl geknallt. Wenn ein Auto vorbeikam, lief ich nebenher und warf den Ball knapp hinter der entschwindenden Stoßstange zu Dean hinüber. Er machte einen Satz und erwischte ihn und kugelte im Gras und schleuderte ihn so zurück, dass ich ihn hinter einem geparkten Bäckerwagen fangen musste. Ich schaffte es gerade eben mit der linken Hand und warf ihn so zurück, dass Dean herumwirbeln und hochspringen musste und hinter einer Hecke auf dem Rücken landete. Bei mir zu Hause zückte Dean seine Brieftasche, räusperte sich und gab meiner Tante die fünfzehn Dollar, die er ihr noch schuldete, seit wir uns in Washington den Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens eingehandelt hatten. Sie war völlig überrascht und freute sich sehr. Es gab ein gutes Abendessen. «Ach, Dean», sagte meine Tante, «ich hoffe nur, Sie schaffen es, für Ihr neues Baby, das bald kommt, zu sorgen und dass Sie diesmal verheiratet bleiben.»
    «Ja, jaja, ja.»
    «Sie können doch nicht dauernd durchs Land fahren und überall Kinder haben! Die armen kleinen Wesen wachsen ja völlig hilflos auf. Es ist Ihre Pflicht, ihnen eine Chance im Leben zu geben.» Dean starrte auf seine Schuhe und nickte. Im rauen roten Abendlicht sagten wir uns auf einer Fußgängerbrücke über dem Superhighway goodby.
    «Ich hoffe, du bist noch in New York, wenn ich wiederkomme», sagte ich. «Und ich hoffe, Dean, dass wir eines Tages friedlich mit unseren Familien in derselben Straße wohnen können, zwei Oldtimer, die zusammengehören.»
    «Ja, das stimmt, Mann – und du weißt, ich bete darum, auch wenn mir bewusst ist, dass wir harte Zeiten hatten und dass noch harte Zeiten kommen werden, wie deine Tante weiß und mir gesagt hat. Ich wollte das neue Baby nicht, Inez bestand darauf, wir hatten Streit. Wusstest du, dass Marylou mit einem Gebrauchtwagenhändler in Frisco verheiratet ist und ein Kind erwartet?»
    «Ja. Jetzt erwischt es uns alle.» Kleine Wellen nur auf dem kopfstehenden Teich der Leere – so etwas hätte ich sagen sollen. Der Boden der Welt ist Gold, und die Welt steht kopf. Er zog ein Foto heraus: Camille in

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