Unterwegs
«Oh, ich wollte schon immer einen Cowboy kennenlernen.»
«Dean?», rief ich quer durch den Raum, wo Angel Luz Garca, der Dichter, Walter Evans, der venezolanische Dichter Victor Villanueva, Jinny Jones, meine frühere Geliebte, Carlo Marx, Gene Dexter und Unzählige andere versammelt waren. «Komm doch mal rüber, Mann.» Dean kam verlegen herüber. Eine Stunde später, in all der Trunkenheit und dem Chichi der Party («zum feierlichen Ausklang des Sommers», natürlich), lag er auf Knien vor ihr, das Kinn auf ihren Nabel gebettet, und redete auf sie ein und versprach ihr schwitzend das Blaue vom Himmel herunter. Sie war eine kräftige Person, brünett und sexy, «direkt einem Bild von Degas entstiegen», wie Garca sagte, und hatte etwas von einer hübschen Pariser Kokotte. Schon ein paar Tage später hingen sie am Telefon und schwatzten Camille in San Francisco die nötigen Scheidungspapiere ab, damit sie heiraten konnten. Und nicht nur das, ein paar Monate später bekam Camille von Dean ein zweites Kind, nachdem die beiden sich zu Beginn des Jahres ein paar Nächte lang verstanden hatten. Und wieder ein paar Monate später bekam Inez ein Baby. Ein uneheliches Kind irgendwo im Westen mitgerechnet, hatte Dean jetzt vier kleine Kinder und keinen Cent und lebte in all den Schwierigkeiten und Ekstasen und dem Tempo wie immer. So fuhren wir nicht nach Italien.
vierter teil
eins
Der Verkauf meines Buches brachte mir etwas Geld ein. Ich rechnete mit meiner Tante ab und gab ihr die Miete für den Rest des Jahres. Immer wenn es Frühling wird in New York, kann ich den Einflüsterungen des weiten Landes, die von New Jersey über den Fluss herüberwehen, nicht widerstehen und muss losziehen. Also zog ich los. Zum ersten Mal in unsrem Leben sagte ich zu Dean in New York goodby und ließ ihn allein zurück. Er arbeitete auf einem Parkplatz an der Madison Avenue, Ecke 40th Street. Wie immer rannte er dort allein umher, in seinen zerschlissenen Schuhen und seinem T-Shirt und seiner unter dem Bauch hängenden Hose, und entwirrte den wilden Andrang von Autos um die Mittagszeit.
In den Abendstunden, wenn ich ihn gewöhnlich besuchte, gab es meist nicht viel zu tun. Er stand in der Bude und zählte Parkscheine oder rieb sich den Bauch. Das Radio lief immer. «Mann, hast du mal diesen irren Marty Glickman gehört, wenn er Basketballspiele kommentiert – Vordribbeln-zum-Mittelfeld-Ball-abgeprallt-Täuschmanöver-Sprung-und-witsch, zwei Punkte. Absolut der größte Kommentator, den ich je gehört habe.» Ihm blieben nur noch schlichte Vergnügungen wie dieses. Er wohnte mit Inez in einer Kaltwasserwohnung in den achtziger Straßen der Upper Eastside. Wenn er abends nach Hause kam, zog er alle seine Klamotten aus, schlüpfte in eine über die Hüften reichende chinesische Seidenjacke, setzte sich in seinen Lehnstuhl und rauchte Gras aus der Wasserpfeife. Das waren so seine Feierabendfreuden, abgesehen von einem Spiel unanständiger Karten. «Letzthin habe ich mich auf diese Karozwei konzentriert. Hast du bemerkt, wo ihre Hand ist? Ich wette, du ahnst es nicht. Schau länger hin, und versuch es herauszufinden.» Er wollte mir die Karozwei borgen, auf der ein trauriger langer Kerl mit einer trostlosen lasziven Hure abgebildet war, die auf dem Bett eine Stellung probierten. «Na los, hab ich schon oft angewandt!» Inez war in der Küche, kochte das Essen und schaute mit schiefem Lächeln herein. Für sie war alles in bester Ordnung. «Siehst du sie? Hast du gesehen, Mann? Das ist Inez. Schau, wie sie den Kopf zur Tür reinsteckt und lächelt, das ist alles, was sie tut. Oh, ich habe mit ihr geredet, und wir haben alles aufs schönste geklärt. Im Sommer gehen wir weg und werden auf einer Farm in Pennsylvania leben – Kombiwagen für mich, damit ich mal auf einen Sprung nach New York fahren kann, schönes großes Haus, und wir werden uns in den nächsten Jahren eine Menge Kinder zulegen. Äh-hm! Hrrrumpf! Krrr, krrr!» Er sprang von seinem Lehnstuhl hoch und legte eine Willie-Jackson-Platte auf, «Gator Tail». Er blieb davor stehen, schlug mit der Faust in die flache Hand und wippte zum Takt federnd in den Knien. «Aaah! Dieser Hurensohn! Hab schon geglaubt, als ich ihn zum ersten Mal hörte, am nächsten Abend ist der Bursche tot, aber er lebt noch immer.»
Genau das Gleiche hatte er mit Camille in Frisco gemacht, am anderen Ende des Kontinents. Derselbe verbeulte Koffer lugte fluchtbereit unter dem Bett hervor. Inez telefonierte
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