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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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leuchteten immer heller, je weiter wir das Hochplateau erklommen. Jetzt waren wir in Wyoming. Flach auf dem Rücken starrte ich zum prächtigen Firmament empor und jubelte, wie schnell es voranging und wie weit ich vom trostlosen Bear Mountain schließlich gekommen war. Ich zappelte vor Aufregung, wenn ich mir ausmalte, was mich in Denver erwartete – was immer, was immer es sein mochte. Und Mississippi Gene fing an ein Lied zu singen. Er sang es mit klingender leiser Stimme im Tonfall der Leute vom großen Fluss, und es war ein schlichtes Lied: «I got a purty little girl, she’s sweet sex-teen, she’s the purti-est thing you ever seen», und das wiederholte er immer wieder, und dazwischen flocht er andere Verse, die alle davon handelten, wie weit fort er war und wie sehr er sich danach sehnte, zu seiner schönen Sechzehnjährigen zurückzukehren, aber er hatte sie verloren.
    Ich sagte: «Gene, das ist ein schönes Lied.»
    «Das schönste, das ich kenne», sagte er lächelnd.
    «Ich hoffe, du wirst irgendwo hingehen und glücklich sein, wenn du ankommst.»
    «Ich schaff’s schon, ich komme immer durch, so oder anders.»
    Montana Slim schlief. Jetzt wachte er auf und sagte zu mir: «He, Blackie, was meinst du, machen wir beide Cheyenne unsicher, heute Nacht, bevor du nach Denver fährst?»
    «Klare Sache.» Ich war besoffen genug, um alles mitzumachen.
    Während der Truck durch die Vororte von Cheyenne rollte, sahen wir hoch oben die roten Lichter des lokalen Radiosenders, und plötzlich steckten wir in einer großen Menschenmenge, die sich auf beiden Straßenseiten über die Bürgersteige schob. «He, warte, da ist ja Wildwest-Woche», sagte Slim. Massen von Geschäftsleuten, fetten Geschäftsleuten in Stiefeln und mit Zehn-Gallonen-Hüten auf dem Kopf, ihre stämmigen Weiber im Cowgirl-Kostüm, wälzten sich johlend und kreischend über die hölzernen Bürgersteige des alten Cheyenne; weiter draußen hingen die langen Lichterketten über den Boulevards des neuen Zentrums von Cheyenne, aber das Fest wurde hauptsächlich in der Altstadt gefeiert. Platzpatronen krachten. Aus den Saloons quoll die Menge bis auf die Straße. Ich konnte nur staunen, und gleichzeitig kam es mir lächerlich vor. Bei meinem ersten Ausflug in den Westen musste ich mit ansehen, auf welche absurden Mittel er verfallen war, um seine stolzen Traditionen hochzuhalten. Wir mussten aussteigen und goodby sagen; die beiden Brüder aus Minnesota hatten keine Lust, hier länger herumzuhängen. Es war traurig, sich zu verabschieden, und mir war klar, dass ich keinen von ihnen je wiedersehen würde, aber so war’s nun mal. «Heut nacht werdet ihr euch den Arsch abfrieren», warnte ich. «Und morgen Nachmittag werdet ihr in der Wüste geröstet.»
    «Soll mir recht sein, solange wir nur aus der kalten Nacht rauskommen», sagte Gene. Und der Truck fuhr los und fädelte sich durch die Menge, und niemand achtete auf die sonderbaren jungen Typen unter der Plane, die auf die Stadt starrten wie Babys aus einem Steckkissen. Ich schaute ihnen nach, wie sie in die Nacht verschwanden.

fünf
    Ich war mit Montana Slim zusammen, und wir stürzten uns in die Bars. Ich hatte noch ungefähr sieben Dollar, und fünf davon vergeudete ich blöderweise in dieser Nacht. Zuerst trieben wir uns mit all den als Cowboys verkleideten Touristen und Ölarbeitern und Viehzüchtern in den Bars, in den Eingängen, auf den Bürgersteigen herum; dann hängte ich Slim eine Weile ab; beduselt von all dem Whisky und Bier wankte er durch die Straßen: So war er, wenn er trank; er bekam glasige Augen, und im nächsten Moment legte er sich mit völlig fremden Leuten an. Ich ging in eine Chili-Bude, und die Kellnerin dort war Mexikanerin und sehr schön. Ich aß, und dann schrieb ich ihr hinten auf die Rechnung ein Liebesbriefchen. Die mexikanische Kneipe war menschenleer; alle waren woanders und betranken sich. Ich sagte ihr, sie solle die Rechnung umdrehen. Sie las und lachte. Es war ein kleines Gedicht, das davon handelte, wie gern ich mit ihr losziehen und zusammen die Nacht erleben würde.
    «Furchtbar gern, Chiquito, aber mein Freund holt mich nachher ab.»
    «Kannst du ihn nicht abhängen?»
    «Nein, nein, das mach ich nicht», sagte sie traurig, und ich mochte, wie sie das sagte.
    «Ich komm ein andermal wieder», sagte ich, und sie sagte: «Jederzeit, Junge.» Trotzdem blieb ich da, nur um sie anzuschauen, und trank noch einen Kaffee. Ihr Freund kam mit mürrischer Miene herein

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