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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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Grenzläufer strichen umher, hielten Ausschau nach günstigen Gelegenheiten. Viele gab es nicht, es war zu spät. Es war der Abschaum und der Bodensatz von Amerika, wo alle schweren Jungs versinken, wo die Entwurzelten sich sammeln, um einem bestimmten Anderswo nahe zu sein, in das sie unbemerkt hineinschlüpfen können. Schmuggel brütete in der sirupdicken Luft. Rotgesichtige Cops, mürrisch und verschwitzt, ohne Stolz und Schick. Kellnerinnen, schmutzig und angeekelt. Nicht viel weiter, und du konntest die enorme Gegenwart des großen, weiten Mexiko spüren und förmlich die Millionen Tortillas riechen, die in der Nacht brutzelten und dampften. Wir hatten keine Ahnung, wie es in Mexiko wirklich sein würde. Wir waren wieder auf Meereshöhe, und als wir etwas essen wollten, brachten wir es kaum hinunter. Ich wickelte meinen Snack jedenfalls in Papierservietten, für die Reise. Wir fühlten uns elend und waren traurig. Doch alles veränderte sich, als wir den Fluss auf der geheimnisvollen Brücke überquerten und unsere Reifen auf offiziell mexikanischem Boden rollten, obwohl es nichts anderes war als die Zufahrt zur Grenzkontrolle. Gleich jenseits der Straße fing Mexiko an. Wir schauten und staunten. Zu unserer Verwunderung sah alles hier aus wie Mexiko. Es war drei Uhr früh, und Männer mit Strohhüten und weißen Hosen lungerten zu Dutzenden vor verbeulten, pockennarbigen Ladenfronten.
    «Schau – dir – die – Typen – an!», flüsterte Dean. «Oooh», seufzte er leise, «warte, warte.» Die mexikanischen Beamten kamen grinsend heraus und fragten, ob wir, bitte, unser Gepäck vorzeigen wollten. Wir taten es. Wir konnten kaum die Augen von der anderen Seite der Straße lassen. Wir konnten es nicht erwarten, loszurasen und uns in diesen geheimnisvollen spanischen Straßen zu verirren. Es war nur Nuevo Laredo, aber auf uns wirkte es wie das heilige Lhasa. «Mann, hier bleiben die Leute die ganze Nacht wach», flüsterte Dean. So schnell wie möglich brachten wir den Papierkram hinter uns. Man ermahnte uns, kein Leitungswasser zu trinken, jetzt, da wir jenseits der Grenze waren. Die Mexikaner warfen nur einen flüchtigen Blick auf unser Gepäck. Sie waren nicht wie übliche Beamte. Sie waren faul und freundlich. Dean musste sie dauernd anstarren. Er drehte sich zu mir um. «Sieh dir an, wie die Cops in diesem Land sind! Ich kann es nicht fassen!» Er rieb sich die Augen. «Ich träume.» Dann war es Zeit, unser Geld zu wechseln. Wir sahen große Stapel von Pesos auf einem Tisch und lernten, dass acht von der Sorte einen amerikanischen Dollar ausmachten, jedenfalls ungefähr. Wir wechselten den größten Teil unseres Geldes und stopften uns erfreut die dicken Bündel in die Taschen.

fünf
    Dann wandten wir unsere Gesichter scheu und verwundert Mexiko zu, während Dutzende von Mexikanertypen in der Nacht unter ihren schattigen Hutkrempen hervor zu uns herüberspähten. Dort drüben gab es Musik und die ganze Nacht hindurch offene Restaurants, aus deren Türen der Dampf quoll. «Uuuh», wisperte Dean ganz leise.
    «Fertig», grinste ein mexikanischer Beamter. «Ihr könnt fahren, Jungs. Nur zu. Willkommen in Mechiko. Viel Spaß. Vorsicht mit Geld. Vorsicht mit Fahren. Das sage ich euch persönlich, ich bin Red, alle nennen mich Red. Fragt nach Red. Essen gut. Keine Sorge. Alles in Ordnung. Nicht schwer, in Mechiko Spaß haben.»
    «Jaaah!» , hauchte Dean, und wir gingen auf zaghaften Füßen über die Straße nach Mexiko hinüber. Das Auto ließen wir stehen, und alle drei nebeneinander gingen wir durch die spanische Straße zum Zentrum der trüben bräunlichen Lichter. Alte Männer saßen auf Stühlen im Dunkel und sahen aus wie orientalische Junkies und Wahrsager. Keiner schaute uns direkt an, doch nahmen alle jeden unserer Schritte wahr. Wir bogen scharf links in eine verräucherte Kneipe, und das zur Musik von Campo-Gitarren aus einer amerikanischen Jukebox der dreißiger Jahre. Mexikanische Taxifahrer in kurzärmeligen Hemden und mexikanische Gammler mit Strohhüten saßen auf Hockern und verschlangen unförmige Haufen von Tortillas und Bohnen und Tacos und was nicht allem. Wir kauften drei Flaschen kaltes Bier – cerveza hieß es hier –, die Flasche für etwa dreißig mexikanische Centavos oder zehn amerikanische Cents. Wir kauften mexikanische Zigaretten für sechs Cent pro Päckchen. Wir staunten und staunten über unser wunderbares mexikanisches Geld, mit dem man so weit kam; wir spielten damit und

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