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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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Sal? Sie macht dich richtig besoffen. Huuuh! Ich möchte immer weiterfahren – diese Straße fährt mich !!» Wir dachten daran, uns in den Trubel von Monterrey zu stürzen, doch Dean wollte in so kurzer Zeit wie möglich nach Mexico City kommen, und außerdem wusste er, dass die Straße noch interessanter werden würde, besonders vor uns, immer vor uns. Er fuhr wie der Teufel und machte nie Pause. Stan und ich waren völlig fertig und gaben auf – wir mussten schlafen. Außerhalb von Monterrey sah ich auf und erblickte die riesigen, unheimlichen Zwillingsgipfel jenseits von Old Monterrey, der Stadt, wohin die Gesetzlosen gingen.
    Vor uns lag Montemorelos, wieder ein Abstieg in heißere Zonen. Es wurde extrem heiß und fremdartig. Dean musste mich unbedingt wecken, damit ich dies sah. «Schau, Sal, das darfst du nicht verpassen.» Ich schaute. Wir fuhren zwischen Sümpfen dahin, und am Straßenrand wanderten in unregelmäßigen Abständen sonderbare Mexikaner in zerlumpter Kleidung, baumelnde Macheten am Gürtelstrick, und manche hieben damit auf das Buschwerk ein. Sie blieben stehen und betrachteten uns mit ausdruckslosem Blick. Durch das wirre Gestrüpp sahen wir zuweilen strohgedeckte Hütten mit Außenwänden aus Bambus, wie in Afrika, richtige Stockhütten. Eigenartige Mädchen, schwarz wie die Nacht, starrten uns aus geheimnisvoll grünenden Eingängen an. «Oh, Mann, ich möchte am liebsten anhalten und Däumchen drehen mit den süßen Dingern», rief Dean, «aber hast du gesehen, die Mutter oder der alte Herr sind immer in der Nähe – meist im Hintergrund, manchmal hundert Meter weiter, wo sie Zweige und Feuerholz sammeln oder die Tiere versorgen. Nie sind sie allein. In diesem Land ist niemand allein. Während du geschlafen hast, habe ich mir diese Straße und diese Gegend genauer angesehen – wenn ich dir doch nur sagen könnte, Mann, was mir so durch den Kopf gegangen ist!» Er schwitzte. Seine Augen waren gerötet und glänzten irre, aber auch demütig und sanft – er hatte Menschen gefunden, die waren wie er. Mit stetigen siebzig Stundenkilometern rollten wir durch die endlosen Sümpfe. «Sal, ich glaube, die Gegend wird lange unverändert bleiben. Wenn du fahren willst, lege ich mich schlafen.»
    Ich übernahm das Steuer und fuhr, in meine eigenen Träumereien versunken, durch Linares, durch heißes Sumpfland, dann bei Hidalgo über den dampfenden Rio Soto la Marina und immer weiter. Ein weites grünes Dschungeltal mit langen Getreidefeldern tat sich vor mir auf. Gruppen von Männern standen auf einer schmalen altertümlichen Brücke und schauten uns nach. Der warme Fluss plätscherte dahin. Dann ging es lange bergauf, bis wieder eine Art Wüste vor uns erschien. Ein Stück voraus lag die Stadt Gregoria. Die anderen schliefen, und ich war am Steuer allein in meiner Ewigkeit. Die Straße lief pfeilgerade dahin. Dies war nicht wie eine Fahrt durch Carolina oder Texas, durch Arizona oder Illinois; es war, als führe man durch die Welt und in Gegenden, wo wir uns endlich selbst kennenlernen würden – unter den Indianer-Fellachen der Welt, der wesentlichen Familie der uralten, ursprünglichen, wehklagenden Menschheit, die in einem Gürtel rund um den Äquatorbauch der Erde lebt, von Malaysia (dem langen Fingernagel Chinas) über Indien, den weiten Subkontinent, und Arabien und Marokko bis hin zu eben diesen Wüsten und Urwäldern Mexikos und weiter über die Meereswellen nach Polynesien und in das mystische Siam vom Gelben Gewand und weiter und immer weiter, sodass du vor den verfallenden Mauern von Cádiz in Spanien die gleiche Trauerklage hören kannst wie 18   000 Kilometer davon entfernt im tiefsten Benares, der Hauptstadt der Welt. Die Menschen hier waren unverkennbar Indianer, sie hatten nichts zu tun mit den Pedros und Panchos der albernen Zivilisations-Folklore Amerikas – sie hatten hohe Wangenknochen und schräge Augen und weiche Gebärden; sie waren keine Narren, sie waren keine Clowns; sie waren große ernste Indianer, und sie waren der Ursprung der Menschheit und deren Väter. Das Meer ist chinesisch, aber die Erde ist indianisch. So zentral, wie die Felsen in der Wüste stehen, so stehen die Indianer in der Wüste der «Geschichte». Und dies wussten sie, während wir an ihnen vorbeifuhren, eingebildete Geldsäcke aus Amerika, wie es schien, auf einer Spritztour durch ihr Land; sie wussten, wer der Vater und wer der Sohn dieses uralten Lebens auf Erden war, und sie schwiegen. Denn

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