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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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drei unrasierten zerlumpten jungen Amerikanern, statt der üblichen gutgekleideten Touristen, war äußerst interessant für sie. Wir holperten mit fünfzehn Stundenkilometern über die Hauptstraße und ließen uns nichts entgehen. Eine Gruppe von Mädchen ging direkt vor uns. Als wir vorbeischaukelten, fragte eine: «Wohin geht’s denn, Mann?»
    Ich sah Dean verwundert an. «Hast du das gehört?»
    Dean war so erstaunt, dass er ganz langsam weiterfuhr und sagte: «Ja, ich hab gehört, was sie gesagt hat, ja klar, verdammt genau habe ich’s gehört, o Mann, ich weiß nicht, was ich sagen soll, ich bin so aufgeregt und glücklich in dieser Morgenwelt. Wir sind im Himmel gelandet. Es könnte nicht cooler, nicht phantastischer, nicht besser sein.»
    «Kehren wir um und schleppen sie ab», sagte ich.
    «Ja», sagte Dean und fuhr im Zehn-Stundenkilometer-Tempo weiter. Er war völlig fertig, hier brauchte er nicht zu tun, was er in Amerika getan hätte. «Es gibt ja Tausende von ihnen am Straßenrand!», sagte er. Trotzdem wendete er und fuhr noch einmal an den Mädchen vorbei. Sie waren unterwegs zur Arbeit auf den Feldern; sie lächelten uns zu. Dean starrte sie mit steinernen Augen an. «Verdammt», keuchte er. « Oh! Das ist zu phantastisch, um wahr zu sein. Mädchen, Mädchen, Mädchen. Und gerade jetzt, Sal, in meinem Zustand und meiner Situation, muss ich im Vorbeifahren ins Innere dieser Häuser blicken – diese irren Türlöcher, und du schaust rein und siehst Strohsäcke und siehst die kleinen braunen Kinder darauf schlafen, die gerade erst wach werden und sich zu regen beginnen, ihre Gedanken noch verklebt von der Gedankenleere des Schlafs, ihr kleines erwachendes Ich, und ihre Mütter kochen in Eisentöpfen den Frühstücksbrei, und schau dir die Fensterläden an, die sie statt Glasscheiben haben, und diese alten Männer, die Alten , sie sind so cool und großartig und machen sich keinerlei Sorgen. Hier gibt es kein Misstrauen , nichts dergleichen. Alle sind cool, jeder sieht dich mit diesen offenen braunen Augen an, und keiner sagt etwas. Nur diese Blicke, und alle menschlichen Eigenschaften liegen in diesem Blick, zart und verhalten, aber trotzdem da. Denk nur an diese blöden Geschichten, die man über Mexiko liest und über den schläfrigen Gringo und all diesen Scheiß – den Scheiß über die dreckigen Mexikaner –, und in Wirklichkeit sind die Leute hier offen und freundlich und ziehen keine Schau ab. Ich kann nur staunen.» Geschult auf den rauen Straßen der Nacht, sah Dean die Welt wie am ersten Tag. Er beugte sich übers Lenkrad und schaute nach links und schaute nach rechts und rollte langsam weiter. Am anderen Ende von Sabinas Hidalgo hielten wir, um zu tanken. Hier hatten sich Rancher aus der Gegend mit Strohhüten und buschigen Schnurrbärten versammelt und machten ihre brummigen Späße vor den altertümlichen Zapfsäulen. Jenseits der Felder trottete ein Alter mit seinem Stecken hinter einem Burro her. Die Sonne erhob sich, rein, über den reinen, uralten Tätigkeiten des menschlichen Lebens.
    Wir fuhren auf der Straße nach Monterrey weiter. Hohe Berge mit weißen Schneekappen ragten vor uns auf; wir rollten direkt auf sie zu. Ein Tal tat sich auf und führte zu einem Pass hinauf, und wir folgten ihm. Wenige Minuten später tuckerten wir hoch über der Mesquite-Wüste in kühler Luft eine Straße hinauf: Steinmäuerchen auf der Seite zum Abgrund und an die Felswände der Innenseite mit weißer Farbe in großen Lettern die Namen von Präsidenten gemalt – ALEMAN! Auf dieser Bergstraße trafen wir keinen Menschen. Sie wand sich zwischen Wolken empor und führte uns auf das weite Plateau in der Höhe. Jenseits dieses Plateaus schickte die Industriestadt Monterrey ihren Rauch in den blauen Himmel, während mächtige Wolken vom Golf von Mexiko wie ein Vlies das Tagesgewölbe verzierten. Nach Monterrey hineinzufahren war ähnlich wie die Einfahrt nach Detroit, zwischen langen hohen Fabrikmauern – bis auf die Burros , die sich im Gras davor sonnten, bis auf den Anblick der Viertel von dicht beieinander stehenden Lehmziegelhäusern, mit ihren Tausenden von schrägen Hipster-Typen, die vor den Toren herumlungerten, und Huren, die aus den Fenstern hingen, und sonderbaren Läden, wo, wie es schien, alles und jedes feilgeboten wurde, und engen Bürgersteigen mit einem Menschengewimmel wie in Hongkong. «Oje», rief Dean. «Und das alles in dieser Sonne. Hast du die mexikanische Sonne bemerkt,

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