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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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schauten uns um und lächelten die Leute an. Hinter uns lag das ganze Amerika und alles, was Dean und ich bisher vom Leben gekannt hatten, auch vom Leben unterwegs. Endlich hatten wir das magische Land am Ende der Straße gefunden, und nie hätten wir uns träumen lassen, wie magisch es war. «Stell dir vor, die Burschen hier bleiben die ganze Nacht wach», flüsterte Dean. «Und denk doch nur an diesen riesigen Kontinent, der nun vor uns liegt, mit diesen gewaltigen Bergen der Sierra Madre, die wir im Kino gesehen haben, und dann der Dschungel überall und ein Wüstenplateau, so groß wie die bei uns, das bis nach Guatemala reicht und wer weiß wohin noch. Oooh! Was sollen wir machen? Was sollen wir machen? Los, fahren wir weiter!» Wir gingen hinaus und zurück zum Wagen. Ein letzter Blick auf Amerika jenseits der heißen Lichter der Rio-Grande-Brücke, und dann kehrten wir Amerika den Rücken und die hinteren Kotflügel zu und sausten los.
    Sofort waren wir draußen in der Wüste, und dann sahen wir achtzig Kilometer lang kein Licht und kein Auto auf dem weiten flachen Land. Und genau dann zog das Morgenrot über dem Golf von Mexiko auf, und wir erkannten ringsum die geisterhaften Gestalten von Jukka-Palmen und Orgelpfeifenkakteen. «Was für ein wildes Land!», kreischte ich. Dean und ich waren hellwach. In Laredo waren wir halbtot gewesen. Stan, der schon in anderen fremden Ländern gewesen war, schlief ungerührt auf dem Rücksitz. Dean und ich hatten das ganze Mexiko vor uns.
    «Und jetzt, Sal, werden wir alles hinter uns lassen und in eine neue und unbekannte Phase eintreten. All die Jahre und Sorgen und flüchtigen Reize – und jetzt so etwas ! Da brauchen wir an nichts anderes mehr zu denken und können unbesorgt einfach weiterfahren und nach vorn schauen, so wie jetzt, siehst du, und die Welt verstehen , so wie, mal ehrlich und offen gesprochen, andere Amerikaner sie nicht verstanden haben – sie sind doch hier gewesen, oder etwa nicht? Der mexikanische Krieg. Hier mit Kanonen durchzurauschen!»
    «Diese Straße», sagte ich, «ist auch die Straße der alten Gesetzlosen Amerikas, die hier über die Grenze gingen, runter nach Monterrey, und wenn du die Wüste hier im Morgengrauen siehst und dir einen der alten Desperados aus Tombstone vorstellst, wie er einsam und allein ins unbekannte Exil galoppiert, dann wirst du auch begreifen …»
    «Es ist die Welt», sagte Dean. «Mein Gott!», schrie er und schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad. «Es ist die Welt! Wir können immer weiterfahren, durch Südamerika, so weit die Straße reicht. Stell dir das vor! Oh, verdammt nochmal! Gott verdammt !» Wir brausten weiter. Das Morgenlicht breitete sich schnell aus, und wir sahen den weißen Wüstensand und manchmal Hütten fernab der Straße. Dean bremste und starrte hinüber. «Echte Armutshütten, Mann, wie du sie nur noch im Death Valley siehst, und noch viel schlimmer. Die Leute hier pfeifen auf äußeren Schein.» Die erste Stadt vor uns, die der Landkarte nach von einiger Bedeutung war, hieß Sabinas Hidalgo. Gespannt schauten wir ihr entgegen. «Dabei sieht die Straße hier nicht anders aus als die Straßen bei uns in Amerika», rief Dean, «bis auf die verrückte Tatsache, dass die Meilensteine hier, falls es dir aufgefallen ist, in Kilometern beschriftet sind und die abnehmende Entfernung bis Mexico City anzeigen. Da siehst du, es ist die einzige Metropole im Land, alles ist darauf ausgerichtet.» Es waren nur noch gut siebenhundertsiebenundsechzig Meilen bis zu dieser Metropole; in Kilometern belief sich die Zahl auf über tausend. «Verdammt! Ich muss vorwärts!», schrie Dean. Ein Weilchen schloss ich die Augen, so fertig war ich, und hörte Dean mit den Fäusten aufs Lenkrad schlagen und rufen: «Verdammt!» und «Sachen gibt’s!» und «Mann, was ein Land!» und immer wieder und wieder: «Ja!» Wir erreichten Sabinas Hidalgo, jenseits der Wüste, gegen sieben Uhr früh. Wir fuhren ganz langsam, um alles zu sehen. Wir weckten Stan, der hinten schlief. Wir saßen aufrecht und guckten. Die Hauptstraße war verschlammt und voller Schlaglöcher. Zu beiden Seiten schmutzige bröckelnde Lehmziegelmauern. Burros trippelten hochbepackt durch die Straße. Barfüßige Frauen beobachteten uns aus dunklen Türöffnungen. Scharen von Menschen bevölkerten die Straße, um einen neuen Tag draußen auf den Feldern von Mexiko zu beginnen. Alte Männer mit buschigen Schnurrbärten starrten uns an. Der Anblick von

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