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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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wenn einst Zerstörung über die Welt der «Geschichte» kommt und die Apokalypse der Fellachen wie schon so viele Male, werden noch immer Menschen mit den gleichen Augen aus den Höhlen Mexikos starren und aus den Höhlen von Bali, wo alles begann, wo Adam gesäugt und wo er gelehrt wurde, zu erkennen. Dies waren meine schweifenden Gedanken, während ich den Wagen durch die sonnenglühende Stadt Gregoria lenkte.
    Vorher, in San Antonio, hatte ich Dean im Scherz versprochen, ich würde ihm ein Mädchen besorgen. Es war eine Wette und eine Herausforderung. Als ich an einer Tankstelle in der Nähe der sonnendurchglühten Stadt Gregoria hielt, kam ein Junge auf wunden Füßen über die Straße gelaufen und schleppte eine riesige Sonnenblende für Windschutzscheiben an. Er wollte wissen, ob ich sie kaufen würde. «Gefällt dir? Sechzig Pesos. Habla Español? Sesenta Pesos. Victor mein Name.»
    «Neee», erwiderte ich im Spaß, «ich will Señorita kaufen.»
    « Claro, claro! », rief er begeistert. «Ich besorge dir Mädchen, jederzeit. Aber jetzt zu heiß», fügte er mit angewiderter Miene hinzu. «Mädchen nicht gut, wenn Tag heiß. Warten bis Abend. Gefällt dir Sonnenblende?»
    Die Sonnenblende wollte ich nicht, aber ich wollte die Mädchen. Ich weckte Dean. «He, Mann, ich hab dir in Texas versprochen, ich würde dir ein Mädchen besorgen – also gut, streck deine Knochen und wach auf, alter Junge; die Mädchen warten schon auf uns.»
    «Was? Was?», rief er und fuhr verstört auf. «Wo? Wo?»
    «Der Junge hier, Victor, wird uns zeigen, wo.»
    «Na, dann los! Dann los!» Dean sprang aus dem Wagen und packte Victors Hand. Andere Jungen hingen grinsend bei der Tankstelle herum, die meisten barfuß und alle mit schlappen Strohhüten auf dem Kopf. «Mann», sagte Dean zu mir, «ist das nicht eine nette Art, den Nachmittag zu verbringen? Echt cool und sehr viel besser als in den Billardhallen von Denver. Victor, hast du Mädchen? Wo? A donde?», schrie er auf Spanisch. «Hast du gehört, Sal, ich spreche Spanisch.»
    «Frag ihn, ob wir hier Gras kriegen können. He, Kleiner, hast du Ma-ri-wa-na?»
    Der Junge nickte ernst. «Sicher, jederzeit, Mann. Komm mit.»
    «Hiii! Yippiiie! Hooo!», brüllte Dean. Er war jetzt hellwach und tanzte auf dieser verschlafenen mexikanischen Straße herum. «Fahren wir los!» Ich verteilte Lucky Strikes an die anderen Kids. Sie hatten ihr Vergnügen an uns, besonders an Dean. Sie steckten die Köpfe zusammen und machten hinter vorgehaltener Hand ihre Sprüche über den verrückten Amerikaner. «Sieh sie dir an, Sal, sie sprechen über uns und lachen. Oh, mein Gott, was für eine Welt!» Victor stieg zu uns in den Wagen, und wir schaukelten los. Stan Shephard hatte fest geschlafen und erwachte von dem Durcheinander.
    Wir fuhren in die Wüste hinaus, auf der anderen Seite der Stadt, und bogen in einen zerfurchten sandigen Weg ein, wo der Wagen schlingerte wie noch nie. Ein Stück vor uns war Victors Haus. Es stand am Rand einer Ebene voller Kakteen, von ein paar Bäumen beschattet, eine Schuhschachtel aus Lehmziegeln. Im Hof lungerten ein paar Männer herum. «Wer ist das?», schrie Dean begeistert.
    «Das meine Brüder. Meine Mutter auch da. Meine Schwester auch. Meine Familie. Ich verheiratet. Ich wohne in der Stadt.»
    «Deine Mutter?», fragte Dean erschrocken. «Was sagt sie zu Marihuana?»
    «Oh, sie besorgt es für mich.» Wir warteten im Wagen, während Victor ausstieg und zum Haus hinüberlief und ein paar Worte mit einer alten Dame wechselte, die sich prompt umdrehte und in den Garten hinter dem Haus ging und trockene Wedel Marihuana einzusammeln begann, die von den Pflanzen gerupft und zum Trocknen in die Wüstensonne gelegt worden waren. Unterdessen hockten Victors Brüder unter einem Baum und grinsten herüber. Sie wollten kommen und uns kennenlernen, aber es sollte noch ein Weilchen dauern, bis sie aufstanden und bei uns erschienen. Victor kam freundlich lächelnd zurück.
    «Mann», sagte Dean, «dieser Victor ist der netteste, verdrehteste, wahnsinnigste kleine Indio-Typ, den ich je im Leben getroffen habe. Sieh doch nur, wie locker und cool er daherkommt. Sie haben es alle nicht eilig hier.» Eine stetige, beharrliche Wüstenbrise wehte zum Fenster herein. Es war sehr heiß.
    «Siehst du, wie heiß?», sagte Victor. Er setzte sich zu Dean auf den Beifahrersitz und deutete auf das glühende Dach des Ford. «Wenn du Ma-ri-gwana hast, dann nicht mehr heiß. Du

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