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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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Wagen und lenkte ihn vorsichtig durch enge algerische Gassen, wo uns von allen Seiten staunende Gesichter nachblickten. Wir kamen zum Freudenhaus. Es war ein prächtiges Etablissement, mit einer Stuckfassade, die golden in der Sonne leuchtete. Auf der Straße, die Ellbogen auf das Fenstersims des Hurenhauses gestützt, standen schläfrig, gelangweilt zwei Polizisten in ausgebeulten Hosen, die uns, als wir hineingingen, einen neugierigen Blick nachwarfen und drei ganze Stunden lang dort stehen blieben, während wir vor ihrer Nase unsere Kapriolen machten, bis wir am Abend herauskamen und auf Victors Rat jedem von ihnen den Gegenwert von vierundzwanzig Cent in die Hand drückten, einfach nur der Form halber.
    Und drinnen fanden wir die Mädchen. Manche lagen auf Sofas jenseits der Tanzfläche, andere saßen zur Rechten an der Bar und tranken. Ein Durchgang in der Mitte führte zu kleinen Kabinen, ähnlich wie die Buden, in denen man sich in öffentlichen Strandbädern die Badehose anzieht. Die Buden standen, der Sonne ausgesetzt, in einem Hof. An der Bar bediente der Besitzer, ein junger Kerl, der, als wir ihm sagten, dass wir Mambo hören wollten, sofort losrannte und mit einem Stapel Platten wiederkam, hauptsächlich Pérez Prado, die er über die Lautsprecheranlage dröhnen ließ. Bald wusste die ganze Stadt Gregoria, was in der Sala de Baile los war. Drinnen war das Getöse so laut – und laut muss eine Jukebox aufgedreht werden, dafür wurde sie erfunden –, dass wir drei, Dean und Stan und ich, zu der erschütternden Einsicht kamen, dass wir noch nie gewagt hatten, Musik so laut zu hören, wie wir eigentlich wollten, und hier war sie so laut, wie wir sie hören wollten. Sie dröhnte und hämmerte auf uns ein. Bald stand die halbe Einwohnerschaft der Stadt draußen an den Fenstern und schaute zu, wie die Americanos mit den Mädchen tanzten. Einträchtig standen die Leute neben den Cops auf der staubigen Straße und reckten gleichmütig und ungeniert die Hälse. «More Mambo Jambo», «Chattanooga de Mambo», «Mambo Numero Ocho» – all die starken Nummern schmetterten und flackerten durch den goldenen, verzauberten Nachmittag, als wär’s die Begleitmusik zum letzten Tag der Welt und zum Jüngsten Gericht. Die Trompeten schallten so laut, dass ich dachte, man müsste sie weit draußen in der Wüste hören, wo die Trompeten ohnehin ihren Ursprung hatten. Die Drums waren der reine Wahnsinn. Der Mambobeat ist der Conga-Rhythmus vom Kongo, dem großen Fluss Afrikas und der Welt; er ist tatsächlich der Rhythmus der Welt. Um- ta , ta-ba- baaam – um- ta , ta-ba- baaam . Die Pianokaskaden regneten aus den Lautsprechern auf uns nieder. Die Schreie des Bandleaders klangen wie Ringen nach Luft. Beim letzten Trompetensolo auf der Wahnsinns-Chattanooga-Platte, das mit rasenden Congas und Bongos einsetzte, erstarrte Dean einen Moment lang, bis er sich schüttelte und schwitzte; und dann, während das Echo der Trompete zitternd in der trägen Luft nachhallte, wie in einer Höhle oder einem Verlies, wurden seine Augen groß und rund, als ob er den Teufel gesehen hätte, und er schloss sie krampfhaft. Mich selbst schüttelte es, als wäre ich eine leblose Marionette; ich hörte, wie die Trompeten das Licht zerschmetterten, das ich gesehen hatte, und ich erzitterte bis ins Mark.
    Beim schnellen «Mambo Jambo» tanzten wir wie verrückt mit den Mädchen. Berauscht, wie wir waren, nahmen wir mit der Zeit doch die Unterschiede ihrer Persönlichkeiten wahr. Es waren wunderbare Mädchen. Die wildeste von allen war seltsamerweise halb Indianerin, halb Weiße; sie stammte aus Venezuela und war erst achtzehn. Sie sah so aus, als käme sie aus einer guten Familie. Was hatte sie in einem mexikanischen Puff verloren, in ihrem Alter, mit ihrem zarten Gesicht und ihrem hübschen Aussehen? Gott allein weiß es. Irgendein furchtbarer Kummer hatte sie dazu getrieben. Sie trank unmäßig. Und wenn es gerade so aussah, als wollte sie alles auskotzen, kippte sie den nächsten Drink hinunter. Dauernd stieß sie Gläser um – vielleicht sogar mit Absicht, damit wir mehr Geld ausgaben. In ihrem durchsichtigen Negligé tobte sie am helllichten Nachmittag mit Dean herum, hängte sich an seinen Hals und flehte und bettelte um alles. Dean war so weggetreten, dass er nicht mehr wusste, was er zuerst wollte, Mädchen oder Mambo. Sie liefen hinaus zu den Kabinen. Auf mich hatte es ein dickes langweiliges Mädchen mit einem Schoßhündchen abgesehen,

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