Unterwegs
doch wurde sie böse, als sie merkte, dass ich den Hund nicht leiden konnte, weil er mich dauernd beißen wollte. Endlich war sie bereit, das Hündchen fortzubringen, doch bis sie wiederkam, hatte sich eine andere, etwas hübscher zwar, aber auch keine Schönheit, an mich herangemacht, die sich wie ein Blutegel an mich klammerte. Ich riss mich los und kämpfte mich zu einer sechzehnjährigen Farbigen hinüber, die auf der anderen Seite des Saals saß und mit düsterem Blick durch einen Schlitz in ihrem dünnen Fähnchen ihren Nabel beschaute. Ich kam nicht bis dort hin. Stan hatte sich eine Fünfzehnjährige geschnappt, mit mandelfarbener Haut und einem oben und unten halb aufgeknöpften Kleid. Es war Wahnsinn. Zwei Dutzend Männer hingen draußen am Fenster und gafften.
Irgendwann kam die Mutter der kleinen Schwarzen – sie war nicht farbig, sondern schwarz – und nahm ihre Tochter kurz und ernst ins Gebet. Als ich das sah, verzichtete ich beschämt auf einen Versuch bei ihr, der Einzigen, die mich interessiert hätte. Mein Blutegel zerrte mich nach hinten zu den Kabinen, wo wir unter dem Getöse und Gedröhn weiterer Lautsprecher ein halbes Stündchen die Matratze knarren ließen. Es war ein viereckiger Raum mit Lattenwänden und ohne Zimmerdecke, mit einem Heiligenbildnis in der einen Ecke und einem Waschbecken in der anderen. Draußen in dem dunklen Flur riefen dauernd Mädchen nach «Agua, agua caliente!» , was «warmes Wasser» heißt. Stan und Dean waren auch verschwunden. Meine Schöne verlangte dreißig Pesos, ungefähr dreieinhalb Dollar, und flehte mit einer langen Geschichte um weitere zehn Pesos. Ich hatte keine Ahnung vom Wert des mexikanischen Geldes; ich wusste nur, ich hatte Tausende von Pesos. Ich warf ihr das Geld hin. Wir liefen zurück auf die Tanzfläche. Die Menge draußen auf der Straße war noch größer geworden. Die Cops sahen nach wie vor gelangweilt zu. Deans hübsche Venezolanerin zog mich durch eine Tür in eine andere seltsame Bar, die offenbar auch zu dem Bordell gehörte. Ein junger Barmixer polierte schwatzend die Gläser, und ein älterer Mann mit dichtem Schnauzbart saß da und diskutierte ernsthaft über irgendetwas. Auch hier dröhnte der Mambo aus einem Lautsprecher. Die ganze Welt, so schien es, war eingeschaltet. Miss Venezuela hing an meinem Hals und bettelte um Drinks. Der Barmann wollte ihr nichts mehr geben. Sie flehte und flehte, und als er ihr ein Glas hinstellte, stieß sie es um, diesmal nicht mit Absicht, denn ich sah das Bedauern in ihren armen eingesunkenen, verlorenen Augen. «Macht nichts, Baby», sagte ich zu ihr. Ich musste ihr auf den Hocker helfen; sie rutschte immer wieder ab. Nie zuvor habe ich eine so betrunkene Frau gesehen, und sie war erst achtzehn. Ich bestellte ihr noch einen Drink; sie zupfte bettelnd an meiner Hose. Sie stürzte den Drink hinunter. Ich brachte es nicht übers Herz, es mit ihr zu probieren. Mein Mädchen von vorhin war beinahe dreißig und passte besser auf sich auf. Am liebsten hätte ich Miss Venezuela, die sich leidend in meinen Armen wand, mit nach hinten genommen und ausgezogen, nur um mit ihr zu sprechen – so sagte ich mir. Ich war verrückt vor Verlangen nach ihr und nach der anderen kleinen Schwarzen.
Der arme Victor stand unterdessen die ganze Zeit an der Bar, den Rücken an das Messinggeländer gelehnt, und hüpfte auf und ab vor Begeisterung darüber, wie seine drei amerikanischen Freunde sich amüsierten. Wir bestellten ihm Drinks. Seine Augen glänzten vor Lust auf eine Frau, aber er wollte keine annehmen, er blieb seiner Ehefrau treu. Dean drückte ihm Geld in die Hand. Bei all dem wilden Durcheinander entging mir nicht, worauf Dean hinauswollte. Er war so außer sich, dass er mich nicht erkannte, als ich ihm ins Gesicht schaute. «Ja, ja!» Mehr sagte er nicht. Und der Wahnsinn nahm kein Ende. Es war ein endloser Gespenstertraum wie aus Tausendundeiner Nacht, ein Nachmittag aus einem anderen Leben – Ali Baba, der Straßenräuber, und die Huris im Paradies. Ich ging noch einmal mit meinem Mädchen in ihr Zimmer; Dean und Stan tauschten die Mädchen; alle drei blieben wir ein Weilchen verschwunden, und die Zuschauer mussten warten, bis die Vorstellung weiterging. Es wurde spät, die Luft wurde frischer.
Bald würde die geheimnisvolle Nacht über das verrückte Gregoria hereinbrechen. Der Mambo lief ohne Pause weiter, er raste dahin wie eine endlose Dschungelfahrt. Ich konnte die Augen nicht von dem
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