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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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lange Briefe an Dean und Carlo, die jetzt bei Old Bull waren, in seiner Hütte in den Sümpfen von Texas. Sie sagten, sie würden gern zu mir nach San Fran rüberkommen, sobald dies und das erledigt sei. Unterdessen ging zwischen Remi und Lee Ann und mir alles in die Brüche. Der Septemberregen kam und mit ihm endlose Tiraden. Remi war mit Lee Ann nach Hollywood geflogen, hatte meine traurige alberne Drehbuchvorlage mitgenommen, und nichts war passiert. Der berühmte Regisseur war betrunken und nahm von den beiden keine Notiz; sie hingen in seinem Haus am Strand von Malibu herum und fingen an, vor anderen Gästen zu streiten. Dann flogen sie zurück nach Hause.
    Das dicke Ende war dann das Pferderennen. Remi nahm all seine Ersparnisse, ungefähr hundert Dollar, putzte mich mit Klamotten von sich heraus, nahm Lee Ann am Arm, und los ging’s zum Golden-Gate-Rennplatz bei Richmond, jenseits der Bay. Und um euch zu zeigen, was für ein Herz der Mann hatte: Er stopfte die Hälfte unserer gestohlenen Lebensmittel in eine riesige braune Tüte und brachte sie einer armen Witwe, die er in Richmond kannte, in einer Sozialsiedlung wie der unseren, mit flatternder Wäsche unter der kalifornischen Sonne. Wir gingen mit. Wir sahen traurige zerlumpte Kinder. Die Frau bedankte sich bei Remi. Sie war die Schwester eines Seemanns, den er flüchtig kennengelernt hatte. «Gern geschehen, Mrs.   Cater», sagte Remi in seinem vornehmsten, höflichsten Ton. «Wo das herkommt, ist noch jede Menge mehr zu holen.»
    Dann zogen wir zur Rennbahn. Er setzte unglaubliche zwanzig Dollarwetten auf Sieg, und vor dem siebten Lauf war er pleite. Mit unseren letzten zwei Dollar für Lebensmittel platzierte er noch eine weitere Wette, und er verlor. Per Anhalter mussten wir nach San Francisco zurück. Ich war wieder mal unterwegs, auf der Landstraße. Ein Gentleman nahm uns in seinem rassigen Wagen mit. Ich saß neben ihm auf dem Beifahrersitz. Remi versuchte eine Geschichte zu landen, dass er auf der Rennbahn hinter der Tribüne seine Brieftasche verloren hätte. «Die Wahrheit ist», sagte ich, «wir haben unser ganzes Geld beim Rennen verloren, und in Zukunft werden wir, um nicht wieder von der Rennbahn zurücktrampen zu müssen, zum Buchmacher gehen, was, Remi?» Remi wurde knallrot. Schließlich rückte der Mann damit heraus, dass er einer der Manager der Golden-Gate-Rennbahn sei. Vor dem eleganten Palace Hotel setzte er uns ab; wir sahen ihn unter Kronleuchtern verschwinden, die Taschen voll Geld, die Nase hochgereckt.
    «Oooh! Aaah!», heulte Remi durch die abendlichen Straßen von Frisco. «Paradise fährt spazieren mit dem Mann, der die Rennbahn leitet, und schwört , dass er in Zukunft zum Buchmacher geht. Lee Ann, Lee Ann!» Er boxte sie und rempelte sie an. «Eindeutig der komischste Vogel der Welt. Muss eine Menge Italiener in Sausalito geben. Aaah! Oooh!» Brüllend vor Lachen umschlang er einen Laternenpfahl.
    An diesem Abend fing es an zu regnen, und Lee Ann sah uns beide mit schiefen Blicken an. Kein Cent war mehr im Haus. Der Regen trommelte aufs Dach. «Das wird jetzt so eine Woche gehen», sagte Remi. Er hatte seinen schnieken Anzug ausgezogen und trug wieder seine schäbige Unterhose, die Armymütze und das Unterhemd. Seine großen traurigen braunen Augen starrten auf die Dielenbretter. Der Revolver lag auf dem Tisch. Durch die Regennacht hörten wir Mr.   Snow, der sich irgendwo kaputtlachte.
    «Ich hab die Schnauze voll von diesem Hurensohn», fauchte Lee Ann. Sie war darauf aus, Streit anzufangen. Sie stichelte gegen Remi. Er blätterte eifrig in seinem kleinen schwarzen Buch, in dem die Namen von Leuten standen, meistens Matrosen, die ihm Geld schuldeten. Neben die Namen schrieb er mit roter Tinte Beschimpfungen. Mir graute vor dem Tag, da ich den Weg in dieses Buch finden würde. In der letzten Zeit hatte ich meiner Tante so viel Geld geschickt, dass ich nur Lebensmittel im Wert von vier bis fünf Dollar in der Woche nach Hause brachte. Mich an das haltend, was Präsident Truman sagte, fügte ich dem ein paar Dollar in Naturalien hinzu. Doch Remi fand, das sei nicht der angemessene Anteil, der auf mich entfiel, und so hatte er sich angewöhnt, die Einkaufsrechnungen für Lebensmittel, die langen Kassenstreifen mit den einzeln aufgezählten Preisen, im Klo an die Wand zu hängen, damit ich es sah und verstand. Lee Ann war überzeugt, dass Remi Geld vor ihr versteckte – und dass ich das auch tat. Sie drohte, ihn zu

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