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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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passten auf, dass niemand uns sah, und achteten besonders darauf, dass keiner unserer Polizistenfreunde herumlungerte, um uns zu kontrollieren; dann ging ich in die Hocke, Remi stieg auf meine Schultern, und schwupp, oben war er. Er stieß das Fenster auf, das nie verschlossen war, wofür er abends sorgte, und kroch durch und landete auf der Backtheke. Ich war ein bisschen gewandter und sprang einfach rauf und kletterte hinein. Dann gingen wir zur Eisvitrine. Hier wurde für mich ein Kindheitstraum wahr: Ich hob den Deckel vom Schokoladeneis, stieß die Hand bis zum Gelenk hinein und schöpfte mir einen Batzen Eiskrem und schleckte. Dann holten wir leere Eiskremkübel, stopften sie voll, gossen Schokoladensirup darüber, manchmal auch Erdbeeren, und schlenderten durch die Küche und rissen die Kühlschränke auf, um zu sehen, was wir in unseren Taschen nach Hause schleppen konnten. Ich riss mir ein Bratenstück ab und wickelte es in eine Serviette. «Du weißt, was Präsident Truman gesagt hat», pflegte Remi zu sagen. «Wir müssen die Lebenshaltungskosten senken.»
    Eines Nachts musste ich lange warten, während er eine riesige Kiste mit Lebensmitteln füllte. Und dann kriegten wir sie nicht durchs Fenster. Remi musste alles wieder auspacken und zurücktragen. Später in der Nacht, als er freihatte und ich allein die Stellung hielt, passierte etwas Komisches. Ich machte einen Spaziergang, den alten Canyonpfad hinauf, und hoffte, ein Reh zu sehen (Remi hatte einmal Rehe gesehen, so unberührt war die Gegend noch), als ich einen fürchterlichen Krach im Dunkeln hörte. Es war ein Keuchen und Fauchen. Ich dachte schon, ein Rhinozeros sei in der Finsternis hinter mir her. Ich griff nach meiner Kanone. Eine hohe Gestalt tauchte im düsteren Canyon auf; sie hatte einen mächtigen Kopf. Plötzlich erkannte ich, dass es Remi war, mit einem riesigen Karton voll Proviant auf der Schulter. Er keuchte und stöhnte unter der enormen Last. Irgendwie hatte er den Kantinenschlüssel gefunden und seine Vorräte durch die Vordertür hinausgeschafft. Ich sagte: «Remi, ich dachte, du wärst zu Hause. Was zum Teufel machst du da?»
    Und er sagte: «Paradise, ich hab es dir schon oft gesagt, dass Präsident Truman gesagt hat, wir müssen die Lebenshaltungskosten senken.» Dann hörte ich ihn keuchend und schnaufend in der Dunkelheit verschwinden. Den furchtbaren Weg zurück zu unserer Baracke habe ich ja schon beschrieben, immer bergauf und bergab. Er versteckte die Lebensmittel im hohen Gras und kam zu mir zurück. «Sal, ich schaff’s einfach nicht allein. Ich muss das Zeug auf zwei Kisten verteilen, und du musst mir helfen.»
    «Aber ich bin im Dienst.»
    «Ich passe auf, solange du weg bist. Du weißt ja, das Leben wird immer härter. Wir müssen das Beste draus machen, mehr gibt’s da nicht zu sagen.» Er wischte sich übers Gesicht. «Uff. Wie oft hab ich dir gesagt, Sal, wir sind Kumpel und müssen die Sache zusammen durchstehen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Die Dostioffskis, die Cops, die Lee Anns und alle üblen Stänkerer dieser Welt sind hinter uns her. Wir müssen sehen, dass keiner uns reinlegt. Sie haben noch allerhand Tricks im Ärmel, abgesehen von einem schmutzigen Arm. Denk daran. Du kannst dem alten Maestro keine neue Melodie beibringen.»
    Ich fragte schließlich: «Was machen wir nun eigentlich, um auf ein Schiff zu kommen?» Zehn Wochen zog sich das alles schon hin. Ich verdiente fünfundfünfzig Dollar in der Woche und schickte meiner Tante im Schnitt vierzig davon. In der ganzen Zeit war ich nur einen Abend in San Francisco gewesen. Mein Leben, das war unsere Baracke, das waren Remis Streitereien mit Lee Ann, und das war, mitten in der Nacht, die Kaserne.
    Remi war in der Dunkelheit losgezogen, um noch eine weitere Kiste zu holen. Zusammen schleppten wir uns auf dem alten Zorro-Weg dahin. Dann stapelten wir die Vorräte kilometerhoch auf Lee Anns Küchentisch. Sie wachte auf und rieb sich die Augen.
    «Du weißt, was Präsident Truman gesagt hat?» Sie war begeistert. Plötzlich wurde mir klar, dass jeder in Amerika ein geborener Dieb ist. Auch mich hatte das Fieber gepackt. Ich fing sogar an zu probieren, ob die Türen verschlossen waren. Die anderen Cops wurden misstrauisch; sie lasen es uns von den Augen ab; mit untrüglichem Sinn verstanden sie, was wir im Sinn hatten. Jahrelange Erfahrung hatte sie gelehrt zu wissen, was Remi und ich für Leute waren.
    Tagsüber zogen Remi und ich mit dem

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