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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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Stühle um und verschwand. Und die tausend Dollar lagen direkt oben auf dem Safe, was sagen Sie nun dazu?»
    Er setzte mich südlich von Bakersfield ab, und hier begann mein Abenteuer. Es wurde kalt. Ich zog mir den dünnen Army-Regenmantel über, den ich in Oakland für drei Dollar gekauft hatte, und stand bibbernd an der Straße. Ich stand vor einem Motel im verschnörkelten spanischen Stil, das wie ein Kleinod beleuchtet war. Autos rasten vorbei, in Richtung L. A. Ich winkte wie verrückt. Es war einfach zu kalt. Da stand ich bis Mitternacht, zwei geschlagene Stunden, und fluchte und fluchte. Es war genau wie in Stuart, Iowa. Es blieb mir nichts übrig, als reichlich zwei Dollar auszugeben und mit dem Bus die restlichen Meilen bis Los Angeles zu fahren. Ich ging, immer am Highway entlang, zurück nach Bakersfield und zum Busbahnhof und setzte mich auf eine Bank.
    Ich hatte mein Ticket gekauft und wartete auf den Bus nach L. A., als mir plötzlich ein süßes kleines Mexikanermädchen in Hosen unter die Augen kam. Sie kam aus einem der Busse, die eben mit seufzenden Druckluftbremsen eingefahren waren; er entließ seine Passagiere in eine Rastpause. Ihre Brüste standen fest und ehrlich hervor, ihre zierlichen Hüften sahen prächtig aus, ihr Haar war lang und schimmernd schwarz, und ihre Augen waren ein einziges blaues Strahlen, mit einer Spur von Schüchternheit darin. Ich wünschte, ich hätte in ihrem Bus gesessen. Ein Stich fuhr mir durchs Herz, wie jedes Mal, wenn ich ein Mädchen sah, das mir gefiel und das in die verkehrte Richtung fuhr in dieser allzu großen Welt. Die Ansagerin rief den Bus nach L. A. aus. Ich packte meinen Seesack und stieg ein, und wer saß da ganz allein? Das mexikanische Mädchen. Ich ließ mich ihr gegenüber auf einen Sitz fallen und fing sofort an, einen Plan zu schmieden. Ich war so allein, so traurig, so müde und durchgefroren, so pleite und so kaputt, dass ich all meinen Mut zusammenraffte, den Mut, den man braucht, um sich an ein fremdes Mädchen heranzumachen, und handelte. Allerdings verbrachte ich noch fünf Minuten damit, mir im Dunkeln die Knie zu kneten, während der Bus die Straße dahinrollte.
    Du musst, du musst, sonst verreckst du! Verdammter Trottel, sprich sie an! Was ist los mit dir? Ödest du dich nicht schon selber an? Und bevor ich wusste, was ich tat, beugte ich mich zu ihr hinüber (sie versuchte auf ihrer Sitzbank zu schlafen) und sagte: «Miss, möchten Sie meinen Regenmantel als Kopfkissen?»
    Sie hob lächelnd den Kopf und sagte: «Nein, vielen Dank.»
    Ich lehnte mich bebend zurück; ich zündete mir eine Kippe an. Ich wartete, bis sie zu mir herüberschaute, mit einem traurigen kleinen Seitenblick von Liebe, dann stand ich auf und beugte mich über sie. «Darf ich mich zu Ihnen setzen, Miss?»
    «Wenn Sie wollen.»
    Und das tat ich. «Wohin fahren Sie?»
    «L. A.» Ich war ganz verliebt in die Art, wie sie «L. A.» sagte; ich liebe die Art, wie sie alle an der Küste «L. A.» sagen; schließlich und letzendlich ist es ihre einzige goldene Stadt.
    «Da fahre ich auch hin!», rief ich. «Ich bin sehr froh, dass ich mich zu Ihnen setzen darf, ich war sehr allein, und ich bin schon verdammt lange unterwegs.» Und damit fingen wir an, uns unsere Geschichten zu erzählen. Ihre Geschichte ging so: Sie hatte einen Mann und ein Kind. Der Mann schlug sie, darum hatte sie ihn verlassen, zu Hause in Sabinal, südlich von Fresno, und fuhr nach L. A., um eine Zeitlang bei ihrer Schwester zu wohnen. Ihren kleinen Sohn hatte sie bei ihren Eltern gelassen, die Traubenpflücker waren und in einer Hütte in den Weinbergen wohnten. Was blieb ihr da anderes übrig, als zu grübeln und zu verzweifeln. Mir war, als müsste ich gleich die Arme um sie legen. Wir redeten und redeten. Sie sagte, sie rede gern mit mir, und schon bald sagte sie, sie wünschte, sie könnte auch mal nach New York fahren.
    «Vielleicht könnten wir!», rief ich lachend. Der Bus ächzte den Grapevine-Pass hinauf, und dann ging’s hinunter in weite Flächen voll Licht. Ohne es weiter abgesprochen zu haben, fingen wir an, uns die Hände zu halten, und genauso wurde wortlos und wunderbar und in aller Reinheit beschlossen, dass sie, wenn ich in L. A. ein Hotelzimmer fände, an meiner Seite sein würde. Ich sehnte mich mit meinem ganzen Körper nach ihr; ich grub mein Gesicht in ihr herrliches Haar. Ihre zarten Schultern machten mich verrückt; ich umarmte sie und liebkoste sie. Und sie mochte

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