Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
Vom Netzwerk:
phantastische Sound des Bebop schwebte aus Bierhallen und vermischte sich in der amerikanischen Nacht mit Cowboy-Songs aller Art und Boogie-Rhythmen zu einem Potpourri. Alle hier sahen aus wie Hassel. Ausgeflippte Neger mit Bebop-Kappen und Ziegenbärtchen schlenderten vorbei; langhaarige abgerissene Gammler, frisch von der Route 66 aus New York; dann alte Wüstenratten, mit Sack und Pack auf dem Weg zu einer Parkbank auf der Plaza; Methodistenprediger mit ausgefransten Ärmeln und hier und da ein Naturapostel mit Bart und Sandalen. Am liebsten hätte ich sie alle kennengelernt, mit allen geredet, aber Terry und ich hatten es viel zu eilig, ein paar Dollar zusammenzukratzen.
    Wir fuhren nach Hollywood. Wir wollten im Drug Store am Sunset Boulevard Ecke Vine Street nach Arbeit fragen. Na, das war eine Ecke! Ganze Familien aus dem Hinterland kletterten aus ihren Klapperkisten und standen gaffend auf dem Bürgersteig, um einen Blick auf einen Filmstar zu erhaschen, aber der Star kreuzte nie auf. Wenn eine Limousine vorbeirollte, stürzten sie beflissen an die Bordsteinkante und bückten sich, um besser sehen zu können. Drinnen saß ein Typ mit Sonnenbrille neben einer mit Klunkern behängten Blondine. «Don Ameche! Don Ameche!» – «Nein, George Murphy! George Murphy!» Sie liefen ziellos hin und her, warfen einander Blicke zu. Hübsche schwule Jungen, die nach Hollywood gekommen waren, um Cowboy zu werden, stolzierten umher und benetzten mit spitzen Fingern ihre Augenbrauen. Die schönsten Mädchen der Welt stöckelten ekstatisch in flatternden Hosen vorbei; sie waren gekommen, um Starlets zu werden; sie endeten in Drive-in-Restaurants. Terry und ich versuchten Arbeit in einem Drive-in zu finden. Nirgendwo war etwas zu machen. Der Hollywood Boulevard war ein einziger röhrender Wahnsinn von Autos; mindestens jede Minute gab es eine kleine Karambolage. Alle rasten drauflos, bis hinaus zu den letzten Palmen, und dahinter waren die Wüste und das Nichts. Hollywood-Rauschgiftbullen standen vor Edelrestaurants herum und suchten genauso Streit wie die Broadway- Rauschgiftbullen vor dem Jacob’s Beach in New York, nur dass sie hier leichte Anzüge trugen und affektierter redeten. Hochgewachsene leichenblasse Prediger schusselten vorbei. Kreischende dicke Frauen rannten über den Boulevard, um sich vor den Funkstudios zu den Quiz-Shows anzustellen. Ich sah Jerry Colonna, wie er im Buick-Salon einen Wagen kaufte; er stand hinter der riesigen Schaufensterscheibe und befingerte seinen Schnurrbart. Terry und ich aßen in einer Cafeteria downtown , die wie eine Grotte angelegt war, überall wasserspeiende Titten aus Blech und mächtige Arschbacken aus Stein, die Göttinnen und einem kitschigen Neptun gehörten. Die Leute hockten mit ihrem erbärmlichen Essen rund um die Wasserspiele, ihre Gesichter grün vor ozeanischem Elend. Alle Cops in L. A. sahen aus wie hübsche Gigolos; offenbar waren sie ursprünglich nach L. A. gekommen, um es beim Film zu schaffen. Jeder kam her, um es beim Film zu schaffen, sogar ich. Terry und ich waren schließlich so weit, dass wir Jobs an der South Main Street suchten, bei den kaputten Barkellnern und Spülmädchen, die kein Hehl machten aus ihrer Kaputtheit, und selbst dort lief nichts. Wir hatten noch zehn Dollar.
    «Mann, ich hol meine Sachen von meiner Schwester, und wir trampen nach New York», sagte Terry. «Komm, Mann, so machen wir’s. ‹Wenn du nicht Boogie tanzt, dann zeig ich dir, wie’s geht.›» Das Letztere war eine Strophe aus einem Schlager, den sie dauernd trällerte. Wir liefen also zu ihrer Schwester, die in einer der elenden Mexikanerhütten irgendwo jenseits der Alameda Avenue hauste. Ich wartete auf einem dunklen Hof hinter mexikanischen Küchen, weil ihre Schwester mich nicht sehen sollte. Hunde liefen vorbei. Kleine Lampen beleuchteten die von Ratten wimmelnden Seitengassen. In der milden warmen Abendluft hörte ich Terry und ihre Schwester streiten. Ich war auf alles gefasst.
    Terry kam heraus und führte mich an der Hand zur Central Avenue, dem Schauplatz der Farbigen-Szene von L. A. Und was für eine wilde Gegend das war! Mit Musikkneipen wie Hühnerställe, kaum groß genug, um eine Jukebox unterzubringen, und aus der Jukebox dröhnte nichts als Blues, Bebop und Jive. Wir stiegen das schmutzige Treppenhaus eines Mietshauses hinauf und kamen in das Zimmer von Terrys Freundin Margarina, die Terry noch einen Rock und ein Paar Schuhe schuldete. Margarina war eine

Weitere Kostenlose Bücher