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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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erkenne ich sofort, wenn ich von einer höre, und du, du bist ein Zuhälter wie alle anderen, die ich getroffen habe, alle seid ihr Zuhälter.»
    «Hör zu, Terry, ich bin kein Zuhälter. Ich schwör’s dir auf die Bibel, dass ich kein Zuhälter bin. Wieso sollte ich ein Zuhälter sein? Ich hab nur an dir Interesse.»
    «Und ich habe die ganze Zeit gedacht, ich hätte einen netten Jungen kennengelernt. Ich war glücklich, ich hab mich selber umarmt und mir gesagt: Hmmm, ein wirklich netter Junge und kein Zuhälter.»
    «Terry», flehte ich aus tiefster Seele. «Bitte, hör mir zu und glaube mir, ich bin kein Zuhälter.» Vor einer Stunde hatte ich geglaubt, sie sei eine Nutte. Oh, wie traurig das alles war. Unsere Herzen mit ihrem Vorrat an Irrsinn hatten einander verloren. Oh, grausames Leben, wie seufzte ich und flehte ich, und dann drehte ich durch und sagte mir, dass ich mich vor einem dummen kleinen mexikanischen Bauernmädchen rechtfertigte, und das sagte ich ihr, und ehe ich begriff, was ich tat, nahm ich ihre roten Schuhe und schleuderte sie gegen die Badezimmertür und schrie, sie solle verschwinden. «Los, mach, hau ab!» Ich wollte schlafen und vergessen; ich hatte mein eigenes Leben, für immer mein eigenes trauriges und verpfuschtes Leben. Im Bad herrschte Totenstille. Ich zog mich aus und legte mich ins Bett.
    Terry kam, mit Tränen der Reue in den Augen. Mit ihrem schlichten und komischen kleinen Verstand war sie zu dem Schluss gekommen, dass ein Zuhälter nicht die Schuhe einer Frau gegen die Tür wirft und ihr sagt, sie soll verschwinden. Andächtig und in süßem Schweigen zog sie sich ganz aus und schlüpfte mit ihrem winzigen Körper zu mir unter die Decke. Sie war weinbeerenbraun. Ich sah ihr Bäuchlein mit der Narbe vom Kaiserschnitt; ihre Hüften waren so schmal, dass sie kein Kind zur Welt bringen konnte, ohne aufgeschnitten zu werden. Ihre Beine waren dünn wie Stecken. Sie war höchstens eins fünfzig groß. Ich liebte sie in der Süße des müden Morgens. Wie zwei erschöpfte Engel, einsam und verloren in einer Abstellkammer von Los Angeles, die zusammen das Vertrauteste und Kostbarste im Leben gefunden haben, schliefen wir schließlich ein und schliefen bis spät in den Nachmittag.

dreizehn
    Die nächsten fünfzehn Tage waren wir auf Gedeih und Verderb zusammen. Beim Aufwachen beschlossen wir, zusammen nach New York zu trampen; Terry sollte dann in der Stadt mein Mädchen sein. Ich malte mir schon wilde Szenen mit Dean und Marylou und all den anderen aus – eine Saison, eine phantastische neue Saison. Zuerst mussten wir arbeiten, um genügend Geld für die Reise zusammenzuverdienen. Terry fand, wir sollten gleich mit den zwanzig Dollar losfahren, die ich noch hatte. Das wollte ich nicht. Und ich verdammter Esel wälzte das Problem zwei Tage lang, während wir die Stellenanzeigen in verrückten Zeitungen von L. A. studierten, die ich noch nie gesehen hatte; wir hockten in Cafeterias und Bars, bis meine zwanzig Dollar auf knappe zehn geschrumpft waren. In unserem kleinen Hotelzimmer waren wir sehr glücklich. Mitten in der Nacht stand ich auf, weil ich nicht schlafen konnte, zog die Bettdecke über Babys nackte braune Schultern und erforschte die Nacht in L. A. Was für brutale, heiße, sirenenjaulende Nächte das sind! Gleich gegenüber, auf der anderen Straßenseite, gab es Probleme. Eine baufällige, heruntergewirtschaftete Absteige war Schauplatz einer Tragödie. Der Streifenwagen parkte davor, und die Cops vernahmen einen grauhaarigen Alten. Von drinnen hörte man Schluchzen. Ich hörte es alles vermischt mit dem Summen der Neonreklame meines Hotels. Nie im Leben hatte ich mich trostloser gefühlt. L. A. ist die einsamste und brutalste Stadt von ganz Amerika. In New York wird es im Winter schließlich kalt, aber in manchen Straßen gibt es doch ein irres Gefühl von Kameradschaft. L. A. ist ein Dschungel.
    Die South Main Street, wo Terry und ich mit Hotdogs herumspazierten, war ein phantastischer Rummelplatz voller Lichter und Wildheit. Cops in hohen Stiefeln filzten die Leute an praktisch jeder Straßenecke. Die kaputtesten Typen des ganzen Landes schwärmten über die Bürgersteige – all dies unter den sanften südkalifornischen Sternen, die sich im braunen Widerschein des riesigen Wüstencamps verlieren, das L. A. in Wirklichkeit ist. Man roch «Tea», das Gras – ich meine Marihuana –, der Geruch hing in der Luft, dazu die Düfte von Chili-Bohnen und Bier. Der wilde

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