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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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es.
    «Ich liebe Liebe», sagte sie und schloss die Augen. Ich versprach ihr wunderbare Liebe. Ich weidete mich an ihr. Unsere Geschichten waren erzählt; wir versanken in Schweigen und süßen erwartungsvollen Gedanken. Es war alles so einfach. Alle Peaches und Bettys und Marylous und Ritas und Camilles und Inez der Welt konnten mir gestohlen bleiben; sie war mein Mädchen, eine Frau nach meinem Herzen, und das sagte ich ihr. Sie gestand, sie habe gemerkt, dass ich sie am Busbahnhof beobachtete. «Ich dachte, du wärst ein netter College-Boy.»
    «Oh, ich bin ein College-Boy!», versicherte ich ihr. Der Bus kam in Hollywood an. In dem schmutzig grauen Dämmerlicht, einer Dämmerung wie in dem Film Sullivan’s Travels , wenn Joel McCrea und Veronica Lake sich in einem Diner begegnen, schlief sie auf meinem Schoß. Ich schaute gierig aus dem Fenster: stuckverzierte Häuser und Palmen und Drive-in-Restaurants, der reine Wahnsinn, dieses schäbige gelobte Land, das phantastische andere Ende Amerikas. An der Main Street stiegen wir aus, und es war hier nicht anders, als in Kansas City oder Chicago oder Boston auszusteigen – rote Backsteinmauern, Schmutz, vorbeischlendernde Gestalten, schnarrende Trolley-Busse im hoffnungslosen Dämmerlicht, der hurenhafte Geruch einer großen Stadt.
    Und hier drehte mein Kopf durch, ich weiß nicht warum. Ich verfiel auf die blödsinnig paranoide Idee, dass Teresa oder Terry – so hieß sie – eine gewöhnliche kleine Nutte sei, die den Kerlen im Bus das Geld abnahm, indem sie sich, wie in unserem Fall, in L. A. verabredete, wo sie den Blödmann zuerst in ein Frühstücks-Café schleppte, wo ihr Zuhälter wartete, und dann in ein gewisses Hotel, wo der Kerl mit seiner Kanone, oder was immer es war, jederzeit Zugang hatte. Ich habe es ihr nie gestanden. Wir gingen frühstücken, und ein Zuhälter ließ uns nicht aus den Augen. Ich bildete mir ein, dass Terry ihm geheime Zeichen gab. Ich war übermüdet und fühlte mich fremd und verloren in einer sehr fernen und ekelhaften Stadt. Eine blödsinnige Angst packte mich, beherrschte alle meine Gedanken und zwang mich zu schäbiger Kleinlichkeit. «Kennst du den Typ?», fragte ich.
    «Welchen Typ meinst du, Schatz?» Ich ließ das Thema fallen. Sie war langsam und umständlich bei allem, was sie tat; sie brauchte eine Ewigkeit zum Essen; sie kaute langsam und starrte ins Leere und rauchte eine Zigarette und redete drauflos, und ich hing dort wie ein verstörtes Gespenst, misstrauisch gegen jede Bewegung, die sie machte, und dachte, sie wolle Zeit schinden. Es war ein Anfall von Krankheit. Ich schwitzte, als wir Hand in Hand die Straße entlanggingen. Im ersten Hotel, das wir fanden, war ein Zimmer frei, und ehe es mir bewusst wurde, hatte ich die Tür hinter mir abgesperrt, und sie saß auf dem Bett und zog sich die Schuhe aus. Ich küsste sie demütig. Besser, wenn sie es nie erfuhr. Um unsere Nerven zu beruhigen, brauchten wir Whisky, besonders ich. Ich rannte los, trödelte zwölf Blocks durch die Gegend, hastete herum, bis ich eine Flasche Whisky fand, die es an einem Zeitungsstand zu kaufen gab. Voll Energie lief ich zurück. Terry war im Bad und schminkte sich das Gesicht. Ich goss ein Wasserglas voll und wir ließen es glucksen. Oh, wie süß, wie köstlich, es entschädigte mich für meine ganze jammervolle Reise. Ich stand hinter ihr am Spiegel, und so tanzten wir im Badezimmer herum. Ich fing an, ihr von meinen Freunden drüben an der Ostküste zu erzählen.
    Ich sagte: «Du müsstest mal ein Mädchen kennenlernen, das ich kenne, sie ist phantastisch und heißt Dorie. Eine Rothaarige, eins achtzig groß. Wenn du nach New York kommst, kann sie dir helfen, Arbeit zu finden.»
    «Wer ist diese eins achtzig große Rothaarige?», fragte sie misstrauisch. «Warum erzählst du mir von ihr?» In ihrer schlichten Seele konnte sie nicht ahnen, warum ich so glücklich, so nervös drauflosplapperte. Ich ließ das Thema fallen. Sie betrank sich langsam im Bad.
    «Komm ins Bett!», sagte ich immer wieder.
    «Eins achtzig groß, rothaarig, he? Und ich dachte, du bist ein netter College-Boy, ich sah dich in deinem hübschen Pullover und habe mir gesagt: Hmmm, ist der nicht nett? Nein! Nein und nochmal nein! Du bist wahrscheinlich ein gottverdammter Zuhälter wie alle anderen!»
    «Um Himmels willen, was redest du da?»
    «Mach mir nichts vor, erzähl mir nicht, dass diese eins achtzig große Rothaarige keine Puffmutter ist, eine Puffmutter

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