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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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überholte uns ein Streifenwagen mit heulender Sirene, und wir bekamen einen Zettel wegen überhöhter Geschwindigkeit, obwohl wir nur fünfzig gefahren waren. Das kalifornische Nummernschild war schuld. «Ihr glaubt wohl, ihr könnt hier durchrauschen, so schnell wie es euch passt, bloß weil ihr aus Kalifornien seid?», sagte der Cop.
    Ich begleitete Dean in die Polizeiwache und wir versuchten den Männern klarzumachen, dass wir kein Geld hatten. Dean müsse über Nacht in der Arrestzelle bleiben, sagten sie, wenn wir das Geld nicht auftreiben könnten. Meine Tante hatte das Geld natürlich, es waren fünfzehn Dollar, und sie hatte im Ganzen zwanzig, also war alles bestens. Und während wir noch mit den Cops diskutierten, ging tatsächlich einer von ihnen nach draußen, um sich meine Tante anzusehen, die in Decken gehüllt hinten im Wagen saß. Sie entdeckte ihn.
    «Keine Sorge, ich bin keine Gangsterbraut. Falls Sie das Auto durchsuchen wollen, machen Sie es nur. Ich bin mit meinem Neffen auf der Heimfahrt, und die Möbel hier sind nicht gestohlen, sie gehören meiner Nichte, die gerade ein Baby bekommen hat und in ein neues Haus umzieht.» Unser Sherlock Holmes war platt vor Staunen und kam wieder ins Revier. Meine Tante musste die Strafe für Dean bezahlen, sonst wären wir in Washington hängengeblieben, denn ich hatte keinen Führerschein. Dean versprach, das Geld zurückzuzahlen, und er hat es sogar getan, genau anderthalb Jahre später, zur freudigen Überraschung meiner Tante. Meine Tante, eine hochanständige Frau, kam sich fremd und ratlos vor in dieser trostlosen Welt, obwohl sie nicht weltfremd war. Sie erzählte uns von dem Polizisten. «Er versteckte sich hinter einem Baum und wollte mich ausforschen. Ich sagte ihm – ich sagte ihm, er solle das Auto durchsuchen, falls er Lust hätte. Ich habe nichts, weswegen ich mich schämen muss.» Sie wusste, dass es allerhand gab, weswegen Dean sich schämen musste, und ich mich auch, einfach weil ich mit ihm zusammen war, und Dean und ich akzeptierten das traurig.
    Meine Tante hatte einmal gesagt, die Welt werde keinen Frieden finden, solange die Männer nicht ihre Frauen auf Knien um Verzeihung bäten. Aber Dean wusste das selber, er sprach oft davon. «Immer wieder habe ich Marylou angefleht, wir sollten uns im herzlichen Einverständnis reiner Liebe vertragen und auf immer alle Streitereien vergessen; sie versteht es, doch ihr Sinn ist auf was anderes gerichtet – sie hat es auf mich abgesehen, sie will nicht verstehen, wie sehr ich sie liebe, sie strickt an meinem Verderben.»
    «Die Wahrheit ist, dass wir unsere Frauen nicht verstehen. Wir geben ihnen die Schuld, und dabei ist alles unser Fehler», sagte ich.
    «Nein, so einfach ist es auch nicht», widersprach Dean. «Der Friede wird unverhofft kommen, wir wissen nicht, wann – verstehst du, Mann?» Verbissen, mit düsterer Miene, jagte er den Wagen durch New Jersey; im Morgengrauen erreichte ich Paterson, während er hinten schlief. Um acht Uhr früh waren wir zu Hause, wo Marylou und Ed Dunkel herumsaßen und Kippen aus den Aschenbechern rauchten; sie hatten nichts mehr gegessen, seit Dean und ich losgefahren waren. Meine Tante ging einkaufen und brachte ein phantastisches Frühstück auf den Tisch.

vier
    Für die drei aus dem Westen wurde es Zeit, ein eigenes Quartier in Manhattan zu finden. Carlo hatte eine Bude an der York Avenue; noch am selben Abend zogen sie bei ihm ein. Dean und ich schliefen den ganzen Tag, und als wir aufwachten, war gerade ein gewaltiger Schneesturm dabei, das neue Jahr, 1948, anzukündigen. Ed Dunkel saß in meinem Sessel und erzählte, wie er letztes Jahr Silvester verbracht hatte. «Ich war in Chicago, und ich war abgebrannt. Ich saß am Fenster, in meinem Hotel an der North Clark Street, und aus der Bäckerei unten stiegen die köstlichsten Düfte in meine Nase. Ich hatte keinen Penny, aber ich ging hinunter und sprach mit dem Mädchen dort. Sie gab mir Brot und Kuchen, ganz umsonst. Ich ging wieder in mein Zimmer und aß alles auf. Die ganze Nacht blieb ich in meinem Zimmer. Einmal, in Farmington, Utah, wo ich mit Ed Wall zusammen arbeitete – du kennst doch Ed Wall, den Rancher-Sohn aus Denver –, lag ich im Bett, und plötzlich sah ich meine tote Mutter in der Ecke stehen, umgeben von lauter Licht. Ich sagte: ‹Mutter!› Sie verschwand. Ich habe dauernd Visionen», sagte Ed Dunkel und nickte mit dem Kopf.
    «Was hast du mit Galatea vor?»
    «Oh, wir werden

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