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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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bist.»
    «Ah, schon gut, ist alles nur Spaß. Wir leben nur einmal. Wir lassen’s uns gutgehen.»
    «Nein, es ist trostlos, und ich mag es nicht.»
    Dann fing Marylou an, sich an mich heranzumachen; sie sagte, Dean werde mit Camille zusammenbleiben, und ich solle mit ihr gehen. «Komm mit uns nach San Francisco. Wir werden zusammenleben. Ich werde dir eine gute Freundin sein.» Aber ich wusste, dass Dean Marylou liebte, und ich wusste auch, dass Marylou dies alles nur tat, um Lucille eifersüchtig zu machen, und das passte mir nicht. Trotz allem leckte ich mir die Lippen nach dieser saftigen Blonden. Als Lucille sah, wie Marylou mich in die Ecke schob und mir schmeichelte und mich abküsste, nahm sie Deans Einladung an, hinauszugehen, ins Auto; allerdings redeten sie nur und tranken von dem schwarzgebrannten Schnaps aus dem Süden, den ich im Handschuhfach hatte liegenlassen. Alles lief durcheinander, und alles löste sich auf. Ich wusste, mein Verhältnis mit Lucille würde nicht mehr lange dauern. Sie wollte immer, dass es nach ihrer Nase ging. Sie war mit einem Hafenarbeiter verheiratet, der sie schlecht behandelte. Ich war bereit, sie zu heiraten und ihre kleine Tochter zu adoptieren und alles, wenn sie sich nur von dem Mann scheiden ließ; aber es war nicht einmal genügend Geld für eine Scheidung da, die ganze Sache war hoffnungslos, außerdem würde Lucille mich niemals verstehen, weil ich dazu neige, zu viele Sachen gleichzeitig zu machen, und dann verwirrt und enttäuscht bin, wenn ich bis zum Umfallen von einer Sternschnuppe zur anderen jage. So etwas kann einem passieren in der Nacht. Ich hatte einem anderen Menschen ja nichts zu bieten außer meiner eigenen Verwirrung.
    Die Partys waren unwahrscheinlich; mindestens hundert Menschen waren in einer Souterrainwohnung irgendwo in den neunziger Straßen der Upper Westside. Die Leute überfluteten die Kellerräume neben der Heizung. In jeder Ecke war etwas los, auf jedem Bett und jeder Couch – keine Orgie, sondern nur eine New Yorker Silvesterparty mit irrem Geschrei und wilder Radiomusik. Auch eine Chinesin war da. Dean flippte wie Groucho Marx von einer Gruppe zur anderen und fand alle fabelhaft. Von Zeit zu Zeit rannten wir zum Wagen hinaus, um noch mehr Leute einzusammeln. Damion kam. Damion ist der Held meiner New Yorker Clique, so wie Dean der Häuptling und Held im Westen ist. Die beiden waren einander auf Anhieb unsympathisch. Damions Mädchen setzte Damion plötzlich einen satten rechten Schwinger ans Kinn. Er begann zu schwanken. Sie schleppte ihn nach Hause. Ein paar von unseren verrückten Zeitungsfreunden kamen aus der Redaktion und brachten Flaschen mit. Draußen tobte ein ungeheurer wunderbarer Schneesturm. Ed Dunkel flog auf Lucilles Schwester und verschwand mit ihr; ich vergaß zu sagen, dass Ed Dunkel sehr sanft im Umgang mit Frauen ist. Er ist eins neunzig groß, weichherzig, zuvorkommend, angenehm, freundlich und ganz reizend. Er hilft Frauen in den Mantel. So muss man’s machen. Um fünf Uhr morgens rasten wir alle über den Hinterhof einer Mietskaserne und kletterten durchs Fenster in eine Wohnung, wo eine riesige Party im Gang war. Im Morgengrauen landeten wir wieder bei Tom Saybrook’s. Die Leute malten Bilder und tranken schales Bier. Ich schlief mit einem Mädchen namens Mona in den Armen auf einer Couch. In hellen Scharen kamen sie jetzt von der alten Columbia-Campus-Bar. Das ganze Leben, alle Gesichter des Lebens drängten sich in diesem einen muffigen Raum. Bei Ian MacArthur ging die Party weiter. Ian MacArthur ist ein wunderbarer lieber Typ; er trägt eine Brille, durch die er voll Entzücken in die Welt blickt. Damals lernte er gerade, alles im Leben zu bejahen, genau wie Dean, und hat seither nicht aufgehört damit. Beim wilden Sound von Dexter Gordon und Wardell Gray, die «The Hunt» spielten, warfen Dean und ich Marylou über die Couch hin und her; sie war gar kein so leichtes Püppchen. Dean lief ohne Unterhemd herum, nur in Hosen und barfuß, bis es Zeit war, wieder ins Auto zu steigen und noch mehr Leute zu holen. Alles konnte passieren. Wir trafen den ekstatisch ausgerasteten Rollo Greb und blieben eine Nacht in seinem Haus auf Long Island. Rollo wohnt mit seiner Tante in einem schönen Haus; wenn sie einmal stirbt, gehört das Haus ihm, aber bis dahin erfüllt sie ihm nicht einen einzigen Wunsch. Sie hasst seine Freunde. Er brachte die ganze wüste Bande mit – Dean, Marylou, Ed und mich – und ließ eine

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