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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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merkwürdige Geräusch der Anruferstimme, nivelliert, mit leichtem Zittern an den Rändern, seltsamen kleinen elektronischen Gewittern, als versuchte jemand, aus aufgezeichneten Daten eine menschliche Äußerung zu machen.
    Schnitt auf das Gesicht über dem Schreibtisch. Die Moderatorin live. Die Ellbogen inzwischen aufgestützt, die Hände unter dem Kinn verschränkt. Matt fragte sich, was das zu bedeuten hatte . J ede Veränderung ihrer Haltung war gleichbedeutend mit einer Veränderung beim Stand der Meldungen. Die grünen Augen spähten vom Bildschirm herab. Und die veränderte Stimme fuhr fort, redete in dieser flachen Frequenzkurve, mittlerweile plauderte er geradezu selbstbewußt, langsam fühlte er sich ein in das Medium und sein Format, und die Moderatorin hörte zu, weil sie keine andere Wahl hatte, und alle sahen ihr beim Zuhören zu. Im Nebel von Murmansk sahen sie ihr zu.
    Die Stimme sagte: »Ich hoffe, unser Gespräch hat dazu beigetragen, daß die Situation besser verstanden wird. Daß ich darauf bestanden habe, nur mit Sue Ann Corcoran zu sprechen, ganz direkt, das war sehr bewußt. Ich habe Ihr Interview gesehen, wo Sie sagen, Ihnen liegt an Ihrer Karriere, ja, und Sie hoffen zugleich auch eine Familie großzuziehen, und das empfinde ich als eine Sache, wobei dieser Riesensender die Verantwortung hat, die Stelle offenzuhalten, ja, denn ein einzelner Mensch sollte nicht für seine Entscheidungen über die Lebensweise bestraft werden.«
    Sie ließen das Band von vorn laufen. Es zeigte den Mann am Steuer des mittelgroßen Dodge.
    Als seine Mutter hereinkam, schrubbte er eine Bratpfanne mit einer kurzstieligen Bürste. Sie stand da und betrachtete ihn. »Gleich hast du sie durch«, sagte sie.
    »Das habe ich bei der Armee immer gemacht. Hat mir Spaß gemacht. Es war das Beste am Militärdienst.«
    »Das ist lange her. Außerdem ist die Pfanne schon sauber. Egal, was du da gerade zu tun glaubst, sauberer kriegst du die Pfanne nicht.«
    »Der Fernseher lief. Als ich reinkam«, sagte er. »Läßt du normalerweise immer den Fernseher laufen?«
    »Normalerweise nicht. Aber wenn du sagst, daß er lief, dann lief er wohl. Unnormalerweise.«
    »Ich dachte immer, du würdest aufpassen.«
    »Ich passe ziemlich gut auf. Ich bin nicht fanatisch«, sagte sie. »Du scheuerst den Stahl auf. Du schrubbst ihn noch durch.«
    Er machte das Abendessen, und sie stellten einen Ventilator an, weil die Klimaanlage nur mit halber Kraft zu laufen schien.
    »Ich bin heute rübergegangen. Ganz schön viele Häuser weg. Nichts mehr an Ort und Stelle. Parkplätze ohne Autos. Es ist ziemlich seltsam, das zu sehen. Plötzlich gibt es eine Skyline.«
    »Ich geh da nicht rüber«, sagte Rosemary.
    »Gut. Laß es.«
    »Ich geh nicht gerne hin.«
    »Ich hab mir die Nummer 611 angeschaut.«
    »Will ich nicht sehen.«
    »Nee, stimmt. Iß deinen Spargel«, sagte er.
    Im Westen hörte er es donnern, die Aussicht auf Regen in drückenden Nächten, eine der Urerinnerungen.
    »Ich hab Nick noch erwischt, kurz bevor er das Hotel verließ. Hab ihm erzählt, daß der Arzt meint, du bist in Topform.«
    »Immer schön auf dem Teppich bleiben.«
    »Sie schicken mir einen Ausdruck von allen Untersuchungen.«
    »Sagt er jemals irgendwas zu dir?«
    »Nick?«
    »Sagt er jemals irgendwas?«
    »Nein.«
    »Zu mir auch nicht.«
    »Er hat es gelöscht«, sagte Matt.
    »Tja, was hätte er auch sonst tun sollen.«
    »Was hätte er auch sonst tun sollen?«
    »Weiß ich nicht«, sagte sie.
    Sie aßen eine Weile still. Zwei Katzen kamen aus dem Schlafzimmer und schlüpften wie flüssiger Pelz an den Stühlen vorbei. »Ich habe Mr Bronzini besucht.«
    »Albert. Letzte Rose dieses Sommers. Als ich ihn das letztemal sah, hab ich zu ihm gesagt. Geh zum Friseur. Der geht in Pantoffeln aus dem Haus. Hab ich zu ihm gesagt.«
    »Er hat abgenommen.«
    »Was hab ich gesagt? Aus dir wird ein komischer alter Kauz.«
    Sie aßen auf, und Matt ging in die Küche, holte das Obst, das er gekauft hatte, riesige rubinrote Weintrauben, denen nicht die Kerne weggezüchtet worden waren, und Pfirsiche mit Blättern am Stiel.
    »Wieviel Uhr soll ich dich wecken?«
    »Laß mal«, sagte er.
    »Wann geht dein Flugzeug?«
    »Sobald ich hinkomme.«
    »Hast du gebucht?«
    »Ich nehme den Shuttle.«
    »Den Shuttle.«
    »Ich brauche nicht zu buchen.«
    »Was ist der Shuttle?«
    »Ich fahre zum Flughafen. Ich steige ins Flugzeug, und wir fliegen nach Boston. Es sei denn, ich steige ins falsche

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