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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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Titanic-Power-Baptistenkirche.«
    »Macht doch nichts – Hauptsache, eine Kirche. Die Gegend ist voller Kirchen. Anständige, arbeitende Leute. Wenn Ismael eine Mauer bemalen will, sollte er diese Menschen feiern. Positives Denken.«
    Edgar lachte in ihren Schädel hinein. Gerade das Drama der Engel gab ihr das Gefühl, daß sie hierhergehörte, der schreckliche Tod, den diese Engel versinnbildlichten, und die Gefahr, die Ismaels Sprayer in Kauf nahmen, um ihre Graffiti zu schaffen. Auf der Gedenkmauer gab es keine Feuerleitern oder Fenster, und die Sprayer mußten sich an festgezurrten Seilen vom Dach herunterlassen oder schwankten auf zusammengeschusterten Gerüsten, wenn sie einen Engel auf den unteren Rängen malten. Ismael plante eine Pendantwand für tote Graffitikünstler und ließ sein verrottetes Lächeln blitzen.
    »Und er nimmt rosa für Mädchen und blau für Jungen. Da rollen sich einem die Fußnägel hoch«, sagte Gracie.
    Sie hielten am Mönchskloster, um Lebensmittel zur Verteilung an die Bedürftigen abzuholen. Das Mönchskloster war ein alter Ziegelbau, zwischen verbarrikadierte Mietshäuser gezwängt. Drei Mönche in grauen Kutten mit Seilen als Gürtel arbeiteten in einem Vorraum, machten die Ration des Tages fertig. Grace, Edgar und Bruder Mike trugen die Plastiktüten zum Kleinbus nach draußen. Mike war ein ehemaliger Feuerwehrmann mit einem Bart aus Stahlwolle und einem fipsigen Pferdeschwanz. Von vorne und von hinten sah er wie zwei ganz verschiedene Typen aus. Als die Nonnen zum ersten Mal kamen, hatte er angeboten, ihnen als Führer zu dienen, als schützende Begleitung, aber Edgar hatte das sehr entschieden abgelehnt. Sie war überzeugt, daß Habit und Schleier ihr Sicherheit genug boten. Jenseits dieser Straßen der South Bronx mochten die Leute sie ansehen und meinen, sie sei ein wunderliches Überbleibsel aus vergangenen Zeiten. Aber im Inneren dieser Trümmerwüste war sie ein natürlicher Anblick, sie und die Mönche in ihren Kutten auch. Gab es passendere Gestalten als sie, kostümiert für Ratten und Pest?
    Edgar sah die Mönche gern auf der Straße. Sie besuchten die Bettlägerigen, betrieben ein Obdachlosenasyl, sammelten Essen für die Hungernden. Und sie waren Männer an einem Ort, wo wenige Männer übrig blieben. Teenagerjungen hordenweise, bewaffnete Drogendealer – so sahen die Männer der nächstgelegenen Straßen aus. Sie wußte nicht, wohin die anderen verschwunden waren, die Väter, ob sie mit Zweit- oder Drittfamilien lebten, sich in Logierhäusern verkrochen, unter Autobahnen in Kühlschrankkisten schliefen oder auf dem Armesünderfriedhof von Hart Island begraben lagen.
    »Ich zähle Pflanzenarten«, sagte Bruder Mike. »Ich habe ein Buch, das ich mit auf die Lots nehme.«
    Gracie fragte: »Du hältst dich mehr am Rand, stimmt's?«
    »Auf den Lots bin ich bekannt.«
    »Wer kennt dich? Die Hunde vielleicht? Da gibt es tollwütige Hunde, Mike.«
    »Ich bin Franziskaner, ja? Auf meinem Zeigefinger landen Vögel.«
    »Bleib am Rand«, sagte sie zu ihm.
    »Da ist ein Mädchen, das ich immer wieder sehe, vielleicht zwölf Jahre alt, die Kleine, rennt weg, wenn ich mit ihr zu reden versuche. Ich hab den Eindruck, die lebt in den Ruinen. Hör dich mal um.«
    »Wird gemacht«, sagte Gracie.
    Als der Kleinbus beladen war, fuhren sie zurück zur Mauer, um ihre Angelegenheiten mit Ismael zu regeln und ein paar Leute aus seiner Crew abzuholen, die beim Verteilen des Essens helfen sollten. Ismael hatte ganze Teams von Autospürhunden, die durch die Bezirke streiften, sich auf die kahlen Straßen unter Brücken und Viadukten konzentrierten. Die Nonnen waren seine Abteilung North Bronx. Sie gaben ihm Listen, auf denen sie die Standorte verlassener Autos entlang dem Bronx River verzeichnet hatten, das war ein wichtiger Schrottplatz für gestohlene, abgenudelte, benzinabgesaugte, halbausgeschlachtete räudige Vehikel. Ismael schickte seine Crew hin, um die Autokarosserien und alle eventuell noch intakten Teile zu retten. Sie benutzten einen kleinen Truck mit flacher Ladefläche und unzuverlässiger Winde, ein Motiv aus der Graffitiserie Souls in Hell auf Fahrerhaus, Dach und Kotflügeln. Die Autowracks kamen zur Inspektion und Preisfestsetzung durch Ismael auf die Lots und wurden dann an eine Schrottfirma im hintersten Brooklyn geliefert. Manchmal lagen vierzig oder fünfzig ausgeschlachtete Autos auf dem Gelände herum, museumsartig, ein Schrottwelt-Skulpturenpark – zerbeulte und

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