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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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Schlafwagenabteil.«
    »Klein, aber heftig«, sagte Marian.
    Sie lehnte mit verschränkten Armen an der Wand, und er drängte sich gegen sie. Sie löste die Hände und nahm sich seine Hose vor. Sie mochte Sex mit Brian, weil sie ihn handhaben konnte, steuern, bis er zu ihrer Stimmung paßte, sie brachte ihn leicht hoch oder ließ ihn reden, reden – bissig ehrlich schändlich, bitter-komisch.
    »Ich glaube, er weiß Bescheid«, sagte sie.
    »Was?«
    »Ich glaube, er weiß Bescheid.«
    »Er weiß nichts.«
    »Ich glaube, er weiß Bescheid.«
    Sie hatte die Hände in seiner Hose und ein Lächeln auf den Lippen. Er schob den Morgenmantel halb herunter, wischte ihn herab – rieb ihn an ihrer Schulter und Brust, bevor er ihn herunterbekam, fast herunter, er zog ihren Arm durchs Loch und ließ den Rest einfach hängen.
    Sie sanken aufs Bett. Sie versuchte, den Rest des Morgenmantels loszuwerden, aber er ließ sie nicht. Er wollte eine Frau, die halb im Morgenmantel war. Das Telefon klingelte, und sie hielten inne, lauschten. Jedesmal, wenn in einer geliehenen Wohnung das Telefon klingelte, hielten sie inne und dachten über das nach, was sie gerade taten, auf einer anderen Ebene vielleicht auch über den Menschen, dessen Wohnung sie gerade benutzten. Es weckte ein falsches Schuldgefühl bei ihnen, dachte sie. Wegen des Betts. Der Geheimnisse von Leben und Arzneischränkchen und Bett eines anderen Menschen. Das mochte sie an der ganzen Sache nicht, das unter anderem, und Sex bei klingelndem Telefon war ihr schlicht unmöglich.
    Sie tastete nach ihrer Handtasche, die auf einem Stuhl neben dem Bett lag. Das Klingeln brach ab. Brian stand auf und zog sich ganz aus.
    »Verläßt du dich darauf, daß sie den Mund hält?«
    »Über alles andere hält sie den Mund.«
    »Das hier ist nicht alles andere.«
    Marian fand ihre Zigaretten und steckte sich eine an, er reichte ihr einen Aschenbecher. »Ich dachte, du hättest aufgehört.«
    »Ich bin auf fünf am Tag runter.«
    »Ich dachte, du trägst dieses Pflaster.«
    »Tu ich nicht«, sagte sie.
    Er streckte sich neben ihr aus, legte sich auf die Seite. Das klingelnde Telefon hatte sie frühzeitig in einen trägen Zustand voll kleiner Liebkosungen und sanfter Gesprächswindungen und Rauchwolken gebracht.
    Er sagte: »Dieser Job von dir. Echt oder unecht?«
    »Ich arbeite mit Bauingenieuren und Stadtentwicklern zusammen. Ich kämpfe die ganze Zeit mit Bürgerinitiativen. Aber ich kriege ziemlich was geschafft.«
    »Neulich hab ich beim Lunch in künstlichem Nebel gesessen. Irgendwo in einer Mall.«
    »Wir machen keine Mails. Wir machen Alleen.«
    »Was macht ihr denn mit einer Allee?«
    »Wir machen sie wohnlich, erträglich. Erzählen kleine Geschichten. Skulpturen auf dem Mittelstreifen. Poller in Tierform.«
    »Wie heißt deine Sekretärin?« fragte er.
    Sie schnippte eine Ladung Asche in sein Schamhaar.
    »Überstunden, zielstrebige Hingabe. Verstrickt in diese japanische Nummer«, sagte er. »Tod durch Überarbeitung.«
    »Verschwinde in der Firma und stirb. Bloß daß ich es nicht mache, um zu verschwinden. Ich tue es, um sichtbar und hörbar zu sein. Und ich weiß nicht genau, was du mit echt oder unecht meinst.«
    Er zupfte sich die Asche aus den Härchen und blies sie sich von den Fingerspitzen.
    »Die meisten Jobs sind unecht«, sagte er.
    Sie waren Spätzünder und hatten nie einen verläßlichen Rhythmus entwickelt. Nur drei oder vier Wohnungen in all der Zeit, und jede hatten sie nur ein- oder zweimal benutzt. Sie hatte gelernt, ihre Enttäuschung zu übergehen. Das gehörte zur verdrehten Perfektion. Aber Brians Widerstreben konnte einen ziemlich auf die Palme bringen. Sie mußte die Wohnungen organisieren, die Beteuerungen von sich geben, den Zeitplan managen und dann abwarten, ob er wohl auftauchen würde. Es gibt ja den Ausdruck dämonischer Geliebter. Sie hatte einen dämonischen Ehemann. Ihr Geliebter war ein Schlaks mit sommersprossiger Stirn und krüsseligem Haar. Aber dieser Herausforderung mußte sie sich stellen, diesem Weg zu einem wichtigen Teil ihres Ichs, zu einem Potential, das sich sonst sandig und vernachlässigt und unbewegt anfühlte. Diese Stunden gehörten ihr, wie kurz und unregelmäßig sie auch immer waren. Und er war überaus bequem im Umgang und wuchs ihr richtig ans Herz. Es machte ihr Spaß, ihn zu necken und zu erschrecken, aber sie wollte nicht daran denken, ihn aufzugeben.
    »Puste mal ein bißchen Rauch rüber«, sagte er. »Ich will die

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