Unterwelt
nicht paßte.
»Wo ist Ihr Mann?«
»Sitzt irgendwo mit einer Bloody Mary rum.«
»Woher wissen Sie, daß er nicht mit einer der Gattinnen fickt?«
»Oder er fickt mit einer der Gattinnen.«
»Dazu sind Sie schließlich hier.«
»Genau«, sagte sie.
Sie beobachtete einen Haushandwerker, der die Schiebetür an einem Balkon überprüfte.
»Warum sind Sie nicht dabei, während die es treiben? Er ist mit einer anderen Frau im Bett, und Sie dürfen nicht zuschauen? Es muß doch jemanden geben, bei dem Sie Kritik loswerden können.«
»Es ist ein schöner Tag. Seien Sie ruhig.«
»Die Tage sind alle schön.«
»Wie war noch gleich der Name?« sagte sie lahm, aber mit herausfordernder Ironie – sie machte sich lustig über sich selbst und mich und den Swimmingpool und die Dattelpalmen.
»Donna, Ihr Mund gefällt mir.«
»Das liegt an meinem Überbiß.«
»Sexy.«
»Das hab ich doch schon mal gehört.«
»Und wenn Sie und ich beschließen würden? Oder müssen Sie sich an Leute Ihrer Sorte halten?«
»Barry hat Sie gestern gesehen, wie Sie mich beobachtet haben. Ich nicht, aber er. Und letzte Nacht beim Abendessen hat er auf Sie gezeigt.«
»Denkt er, Sie und ich?«
»Wir haben beschlossen, daß wir wissen, wer Sie sind. Sie sind der eisblaue Aqua-Velva-Mann.«
»Und wer sind Sie?«
»Wir sind zwei Swinger-Vereine, die sich treffen.«
»Nein, Sie. Mund und Augen.«
Sie beobachtete, wie der Haushandwerker die Tür hin- und herschob.
»Ich bin ein Mensch, wenn Sie mir Fragen stellen. Sie wollen wissen, wer ich bin? Ich bin ein Mensch, und wenn Sie zu beharrlich werden, blende ich Sie vollkommen aus.«
Sie schaute weiter in die Ferne, aber nicht allzu fern.
»Ein Mensch, der privat mit Fremden fickt.«
»Gibt's da einen Widerspruch?« fragte sie und lächelte herzlich über den Schaum ihres Cappuccinos hinweg, ohne mich anzuschauen. »In Wirklichkeit hassen Sie uns doch irgendwie.«
»Stimmt gar nicht.«
»Ich weiß auch warum. Weil wir es öffentlich machen.«
»Es ist ein Geschäft. Warum sollte es da nicht öffentlich sein?« sagte ich. »Wir sind alles Geschäftsleute und wollen hier Kontakte knüpfen und die Spanne unserer Möglichkeiten erweitern.«
»Es stimmt aber doch, Sie hassen uns.«
Das waren Filmszenen, im Tonfall leicht elliptisch, vielleicht ein bißchen aus dem Handgelenk aufgenommen, durch zufällige Handlung verwischt. Zuerst die wortlose Situation im Ausstellungsraum, wo die Figuren zwischen den massigen Trucks Blicke tauschen. Dann die Worte am Pool mit Nahaufnahmen und Pausen, die Sprecher ein wenig losgelöst von ihrem Dialog, und ein durchgehendes Gefühl morgendlichen Müßiggangs im unvermeidlichen Vogelzwitschern, der rhythmischen Bewegung von Männern mit Heckenscheren und dem perfekten Türkisschimmer im Hintergrund.
Das Teleobjektiv deutet eine gewisse Dichte an, eine halb lauernde Furcht, die nicht nur den Augenblick nährt, sondern den Tag, die Woche, das Zeitalter.
Und nun die Szene auf dem Zimmer, meinem Zimmer, wo sie ihre Jeans auszog, vor allem, weil sie zu eng waren, und sich in Hemd und Slip auf mein Bett hockte, die Beine zum Fußende ausgestreckt. Ich zog mir einen Stuhl heran und setzte mich wie bei einer Untersuchung daneben, eine Hand um ihren Knöchel gelegt.
Im direkten Licht war sie nicht so hübsch, hatte traurige Schlieren unter den Augen und einen schillernden Bluterguß auf dem Oberschenkel, als wäre eine Aubergine von der Decke gefallen. Aber mir gefiel, wie sie mich anschaute, neugierig, einen Hauch herausfordernd. Ich wurde ehrgeizig von diesem Blick, eifrig bemüht, die Episode zu enthärten, sie intim und wirklich zu machen.
»Du haßt die Tatsache, daß es öffentlich ist. Du kannst es nicht leiden, daß wir hier herkommen und es sagen und tun und ausagieren. Darüber haben wir beim Abendessen geredet.«
»Du und Barry.«
»Wir spielen ein Spiel.«
»Ihr beide. Du und Barr'.«
»Bei dem wir Leute in einem Restaurant beobachten. Und er, ja, er kann das richtig gut. Wir gehen ihre Gewohnheiten und Geheimnisse und Lieblingsdingens durch, bis hin zur Unterwäsche.«
»Sag doch mal, was ich anhabe.«
»Und genauso bei dir.«
»So weit seid ihr nicht gekommen.«
»Nein. Wir fanden, es gibt Wichtigeres. Zum Beispiel, warum du uns haßt.«
Ich sah und hörte zu, versuchte die Stimme und die Art einzuordnen, sie vielleicht in irgendeiner kleinen Industriestadt anzusiedeln, ein katholisches Mädchen, das am Ufer eines tristen Flusses
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