Unterwelt
Nasen, Patriarchen dieses oder jenes Industriezweigs. Sie gaben sich gern als Sportsfreunde, die mit Firmenflugzeugen zu abgelegenen Seen in Kanada flogen, um in den letzten unverseuchten Gewässern des Kontinents zu angeln. Einen dieser Ausflüge machte ich mit einem Vorsitzenden namens McHenry, im Grunde ein liebenswürdiger, anständiger Mann, der eine Reihe von Softwarefirmen mit Regierungsaufträgen besaß. An dem See waren seine Enkel, ein Paar weiß-brauiger Jungs in Daunenjacken, auf blutrünstigen Sport getrimmt. Und ich stand da und betrachtete das alte Haus am See mit seinen Zedernholzschindeln und hohen Kaminen und den abgewetzten, splittrigen Verandamöbeln eines abgeschiedenen Ruhesitzes. Ich betrachtete das Haus und vermißte es seltsamerweise. Es hätte aus meiner eigenen Vergangenheit stammen können, eine rückgewandte Prophezeiung, von rustikaler Vornehmheit, mit hohen Räumen und Mottenkugeln in den unbenutzten Zimmern und dicken, kratzigen Bettdecken mit College-Emblemen für die Gäste – das Versprechen von lauter Dingen, die ich nie gehabt hatte, aber dennoch irgendwie zu kennen schien, als Ganzes, am Rande des Gedächtnisses. Und wie die Jungs mit ihren Gewehren umgingen, als wären sie dafür geboren, ja – sie waren kleine Jungen und ich ein Mann, aber ich glaube, ich habe einiges von ihnen gelernt, Johno und Todd. Nicht daß ich sie auf der Pirsch begleitet hätte. Ich saß die meiste Zeit auf der Veranda und arbeitete an Reden für McHenry, aber ich schnappte von den Jungs auf, wie es sein muß, in eine solche Welt hineinzuwachsen, die stets den eigenen Erwartungen und Ansprüchen entspricht – eine Welt aus Geld und aufrechter Haltung und artikulierter Rede und College-Emblemen auf den Betten und einem Gefühl für Geburtsrecht und nutzbare Geschichte. Beim Abendessen redeten wir über alles mögliche, ihre Schulen und Sportarten, und diese mühelose Jugend machte mir Spaß, sie war roh im besten Sinne, robust und kraftvoll und unfertig. Für mich war es Spaß aus zweiter Hand, wenn ich spürte, wie ich mit ihren eckigen, langen Schritten ging und eine Angelleine in der Sonne auswarf und nichts auf der Welt bekam als das Scharren der rauhen Bootsbretter und die frühe Hitze auf den Armen, und selbst wenn ich merkte, wie etwas Kantiges aus meinem Innern hochstieg, ich konnte es beim Tischgespräch wieder herunterdrücken und in den zuckenden Flammen loswerden, die in der großen Feuerstelle aus Feldsteinen loderten.
Ich machte mir Notizen und stellte mich reihum vor, als ich über das Gelände ging, ein paar Morgen Land voller Turmkräne und Haken und hydraulischer Einheiten für Schwermetallpressen und dazu das Schleppgerät, die Müllwagen, die bei all ihrer Massigkeit wie Spielzeuge wirkten, unschuldig mit ihrem glänzenden Lack, unvorbereitet für die eklige Arbeit, die vor ihnen lag.
Ich stand neben dem Modell eines Reißwolfs für vertrauliche Unterlagen, der Watergate genannt wurde, und unterhielt mich mit einem Vertreter über irgend etwas Technisches, informierte mich, machte mir ein paar Notizen, und in dem Augenblick sah ich die Frau in einer Reihe mit neuen Computerprodukten, sie trug enge Jeans und eine Umhängetasche mit Satinbesatz – keine von uns.
Als sie den Kopf hob und in meine Richtung schaute, wußte ich, wer sie war. Ich hatte sie mit ihrem Mann durch die Hotelhalle gehen sehen, gestern oder vorgestern oder wann immer, sie ging hoch auf den Fußballen, kamera-erkoren im fließenden Gemenge aus Bummlern und Hoteldienern, und jetzt stand sie da und starrte mir geradewegs ins Gesicht, insgeheim über irgend etwas amüsiert.
Wir tranken Kaffee am Pool. Es war zehn Uhr früh, und der Mann für den Pool und die Gärtner streiften am Rand unseres Gesprächs entlang.
»Zwischen den Müllmaschinen. Komische Art, den Morgen zu verbringen, Donna.« Wir hatten uns nur mit Vornamen bekanntgemacht. »Mal was anderes«, sagte sie. »Als was?«
»Als was. Als hier zu sein, als das, wozu wir hier sind.«
Sie saß auf der schattigen Seite des Tisches, ihre Hände blitzten jedesmal auf, wenn sie nach dem Kaffee griff, und als der Sonnenschirm von der Brise hochgeweht wurde, gewann ihr Gesicht Umrisse und Wärme.
»Fühlen Sie sich denn allmählich eingeschränkt?«
Ein leichtes, ausweichendes Lächeln.
»Finden Sie das Programm zu einengend?«
Sie hatte dunkles Haar und eine Art, ihre Lippen geziert zu schürzen, wenn sie eine Bemerkung abschmettern wollte, die ihr
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