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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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neurotisch zu analysieren.«
    »Geh nach Hause.«
    »Geh nach Hause. Wie heißen diese Schuhe, die mir nicht einfallen wollen? Sag ihr, es tut dir leid. Schieb die Sache nicht auf die lange Bank. Altmodische, zweifarbige Schuhe.«
    Er musterte mich prüfend.
    »Irgendwann gehen wir mal zu einem Baseballspiel. Du kommst doch in ein paar Monaten wieder, stimmt's? Dann gehen wir zu einem Spiel.«
    »Ich will zu keinem Spiel.«
    »Wir gehen zu einem Spiel«, sagte er.
    Wir tranken aus und gingen. Keine Viertelstunde später saßen wir in einem anderen Club und hörten die Bläser über die Wände schrappen, vier Typen in Fez und Kaftan mit einem körperlichen Sound, dazu ein Drummer, der überwiegend Stimmgeräusche von sich gab, schräges Jammern und Jaulen.
    Wir bestellten Drinks und hörten eine Weile zu, dann beugte sich Sims näher zu mir.
    »Ist mir schon zweimal passiert, seit ich hier drüben bin. Die ziehen ihre Knarre. Mein Leben hängt am gekrümmten Finger von irgendso'nem Bullen, bloß weil ich einem Verdächtigen ähnlich sehe oder mein Rücklicht kaputt ist. Er steigt aus seinem Wagen. Und er holt mich aus meinem Wagen. Er sagt, Sie steigen jetzt sofort aus dem Wagen. Ich steige aus dem Wagen. Und er sagt, Sie legen die Hände aufs Dach, Beine breit. Aber ich sehe ihn nur an. Und er sieht mich an. Wir sehen uns mit einer Mordlust an, die einerseits völlig verblüffend und andererseits völlig natürlich ist.«
    Ich nicke und warte. Er sitzt tiefernst über seinem Drink, Sims.
    »Wenn du mein Freund sein willst, mußt du dir das anhören«, sagte er.
    Die Wände waren mit alten Pacific-Jazz-Plattenhüllen dekoriert, und wir wandten uns der Bühne zu und fühlten die Kraft der Musik, raffinierter Jazz, aufgebaut wie ein Kampf auf Leben und Tod.
    Ich sagte zu ihm: »Ja.« Ich sagte: »Ja, ich kriege ein paar graue Haare. Aber ich begreife nicht, wieso das schlimmer sein soll als restlos kahl. Was nämlich dein Schicksal ist, wie du selber zugibst.«
    »Darum geht es.«
    »Worum? Ein bißchen Grau ist doch nicht das größte Unheil, das einen Mann ereilen kann.«
    »Komm, wir machen einen drauf.«
    »Wieso?«
    »Ich weiß einen Laden.«
    »Der Laden hier gefällt mir.«
    »Ich zeig dir ein paar Sachen, ja? Das mußt du schon schlucken«, sagte er. »Ich bin von hier, du nicht.«
    »Na schön. Aber du solltest nach Hause gehen. Sag ihr, es tut dir leid.«
    »Eins sag ich dir, daß du's nur weißt, Greta und ich.«
    »Ja?«
    »Wir streiten uns nie.«
    »Wir streiten uns auch nie. Unsere Freunde streiten sich.«
    »Deshalb hab ich so'n Knoten im Bauch.«
    »Alles klar.«
    »Also los, machen wir einen drauf«, sagte er.
    Der nächste Laden lag in downtown L. A. Diese Bezeichnung – downtown L. A. – hatte ein geheimes Leben, das ich nicht genau entschlüsseln konnte. Die Gruppe machte gerade Pause, und zehn Jahre alte Rauchschwaden hingen im Raum.
    »Ich hab früher auch mal geblasen. Wußtest du das?«
    »Spielst du immer noch?«
    »War ein altes Horn vom Pfandleiher. Am Ende hab ich's weggeschmissen.«
    »Aber du hast es noch.«
    »Weggeschmissen«, sagte er. »Aber du hast es behalten. Du hast es noch.«
    »Weggeschmissen.«
    »Du hast es nicht behalten?«
    »Wozu? Klang echt scheiße.«
    »Ist doch toll, so was zu haben. Eine alte Trompete? Die heißen übrigens nicht Sattelschuhe. So Schuhe meine ich nicht, wenn ich zweifarbig sage.«
    »Das Horn klang wie Tod und Beerdigung der Musik.«
    »Trottel. Du hättest es behalten sollen.«
    »Halt. Ich bin ein Trottel?«
    »Toll, so was zu haben. So was hebt man auf. Ein Horn aus zweiter Hand? Tolle Sache.«
    »Halt.«
    »Großer Fehler, Sims.«
    »Ich bin ein Trottel?«
    Der Pianist kam zuerst raus, dann der Baß. Der Drummer trug Stirnband und Sonnenbrille. »Das Schiff ist zurück«, sagte er. »Wußtest du das?«
    »Nein.«
    »Weiter oben an der Küste, in San Francisco.«
    »Wer erzählt dir so was?«
    »Du weißt doch, wie Gerüchte laufen. Keiner erzählt dir was. Du hörst es bloß.«
    »Was hörst du über die Ladung?«
    »Das ist eine ganz andere Kiste«, sagte Sims und rutschte in die aufgeblasene Stimme eines Gebrauchtwagenhändlers, noch dazu aus den Südstaaten, und ich prustete los. »Das is echt intressant. Das is der Zucker an der ganzen Kiste voller Gerüchte.«
    Endlich ließ sich auch der Bläser blicken, ein geschmeidiger Mann mit Goldkettchen und einer Lücke zwischen den Schneidezähnen, in Strandklamotten und Sandalen.
    »Es hieß, da ist

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