Unterwelt
geschrieben.«
Und er hält den Schein an den Ecken hoch und spreizt die Ellbogen ab, er zeigt, was wirklich Sache ist.
»Ich studiere diesen Dollarschein seit fünfzehn Jahren. Ich nehme ihn sogar mit aufs Örtchen, wenn ich mein Geschäft erledige. Und ich habe mir diese Zahlen und Buchstaben in allen Richtungen vorgenommen und den Schein gegens Licht gehalten und unter Wasser gelesen, und jeden Tag bin ich näher dran, den Code zu knacken.«
Er hält sich den Dollar an die Brust, faltet ihn fünfmal, bis er kleiner ist als eine Briefmarke, und steckt ihn wieder in die Tasche.
»Deshalb beobachten die mich durch das Auge, das über der Spitze der Pyramide schwebt. Sie beobachten mich und folgen mir die ganze Zeit.«
Manx braucht was zu trinken. Er hastet die Amsterdam Avenue hoch, an einem Radio- und TV-Laden vorbei, wo ein Fernseher flimmert und ein halbes Dutzend Leute in der Kälte steht und guckt. Ungefähr einen Block entfernt sieht er ein paar Typen auf sich zulaufen, ausgewachsene Männer, ja, die über den Bürgersteig stampfen, über die Eisenluken, unter denen es in die Lagerkeller geht, lassen das Metall rappeln, während sie näherkommen, und er sieht, wie sie peinlich berührt auflachen, die müssen in einem Durchgang gewürfelt haben, bis die Polizei sie aufgescheucht hat, und sie fegen an ihm vorbei, rappeln über die Eisengitter weg und drehen sich um, laufend und halb lachend drehen sie sich um.
Am liebsten würde er kehrtmachen und mit ihnen rennen. Er sieht die komische Seite daran. Drei Straßen weiter werden sie sich in einem Hauseingang wieder versammeln und keuchen und nach Luft ringen und sich erwachsen albern fühlen und einen anderen Ort zum Spielen suchen, das Hinterzimmer eines Friseurs oder das Wohnzimmer von einem, falls die Frau nicht da ist. Aber die Frau ist da.
Weil ich eine Frau hab, der ich auf den Wecker gehe, selbst wenn ich meilenweit weg bin, und die mich keinen Pieps machen läßt, ohne ihren Senf dazuzugeben, und im Kopf tut sie noch mehr Senf dazu, und die ist auf jeden Fall da.
Ein Hund guckt aus einem Fenster im ersten Stock.
Tja, schwarze Männer, die durch die Straßen laufen. Manx ist selber bei den Unruhen von '43 gelaufen und hatte wahrscheinlich denselben Ausdruck auf dem Gesicht, sonnenklar, daß er in was drinhängt, was er besser sein ließe, aber trotzdem geht's weiter, und damals kam er an Orkin's vorbei, wo Ivie mal einen Zweite-Wahl-Mantel gekauft hatte, von einer Schaufensterpuppe runter, superbilliges Sonderangebot, und das nagte ganz schön an ihm, da lagen alle Schaufensterpuppen von Orkin's auf dem Bürgersteig, lauter Rümpfe in der Gosse, körperlose Köpfe, dünne Hälse und blasses Haar, Puppen, armlos wie berühmte Statuen. Das fällt ihm jetzt wieder ein, die großen Schaufenster in Trümmern und die Puppen mit Strumpfbändern, Puppenbeine mit Strümpfen und Strumpfbändern und kleine Kinder im Frack, Männer, die durch die Straßen liefen, und ein Junge, höchstens zwölf, im Zylinder und geklauten Frack, und ein Bulle führte ihn zu einem Streifenwagen, scheißkomisch das, Zylinder und Rockschöße und schlabbernde Hosen – sogar der Bulle hatte ein gerührtes Lächeln auf den Lippen.
Die letzten vier Blocks geht er mit windabgewandtem Gesicht, der Wind peitscht vom Hudson herüber, und Manx läuft wie ein scheuendes Pferd.
Aber kaum betrittst du die Bar, ist alles anders. Das warme Summen, das leichte Atmen, alle Hintern glücklich auf ihren Hockern. Heute abend ist besonders viel Betrieb bei Tally's, mehr Gedränge als sonst in der flauen Wochenmitte, mehr Knistern in der Luft – und da fällt es ihm wieder ein. Ein Ton schwingt im Raum, ein vielsagendes Rascheln, und er betastet seine Jacke an der Seite und fühlt den Baseball, und ihm wird klar, sie reden von dem Spiel.
Er winkt Phil hinter der Bar zu, Tallys Bruder, in seinem einfachen Hemd mit den auffälligen Hosenträgern, und er fragt mit einer Bewegung Wo? – und Phil nickt zur hinteren Ecke, und da sitzt Antoine Cooper, der einen Drink vor sich stehen hat, hinter ihm lehnen zwei hohe Schaufeln an der Wand.
Manx setzt sich Antoine gegenüber, setzt sich seitlich auf seinen Stuhl, damit er nicht die Schaufeln anschauen muß.
»Hab Franzo im Dunkeln stehen sehen.«
»Ich weiß. Der will mein Auto. Kriegt er aber nicht.«
»Was trinkst'n da?«
»Der will 'ne Mieze flachlegen, von der er besser die Finger läßt. Glaub's mir. Ich hab sie schon durch.«
Manx sieht sich
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